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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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1
    Nur wenige Verbrechen lassen uns um die Zukunft des Menschen bangen. Ich beobachte gerade eines.
    In einem verdunkelten Raum des Polizeireviers von District 8, in Gesellschaft meiner guten FBI-Freundin Kimberley Jones sowie eines Toshiba-LCD-Bildschirms, der hoch oben an der Wand angebracht ist, damit ihn niemand abmontieren kann.
    Der Film, den ich mir mit der FBI-Frau ansehe, wurde mittels zweier professioneller Kameras mit Zoom, Weitwinkel, Schwenks etc. gedreht, und ich habe mir sagen lassen, dass mindestens zwei Profis an seiner Herstellung beteiligt gewesen sein müssen. Farbe und Schärfe sind, Abermillionen Pixeln sei Dank, ausgezeichnet; es handelt sich um das Produkt einer hoch entwickelten Zivilisation, wie es unsere Ahnen noch nicht kannten. Am Ende des Films bricht die hartgesottene Kimberley, wie von mir erhofft, in Tränen aus. Warum soll es ihr besser gehen als mir?
    »Sag mir, dass das nicht wahr ist.«
    »Tja, wir haben die Leiche.«
    »Du lieber Himmel«, meint Kimberley. »Ich hab schon Blutigeres gesehen, aber noch nie etwas so Unheimliches. Und ich dachte, mich kann nichts mehr erschüttern.« Sie steht auf. »Ich brauch frische Luft.«
    In Bangkok?, denke ich, während ich sie über einige Flure hinaus in den öffentlichen Bereich führe, wo braunhäutige Männer und Frauen, kaum halb so groß wie sie, darauf warten, ihre häuslichen Sorgen bei einem Cop abzuladen. Es herrscht nicht gerade festliche Atmosphäre, aber immerhin geht es hier menschlich zu. Als extrovertierte Amerikanerin scheut Kimberley sich nicht, ihre roten Augen vor Publikum abzutupfen, das natürlich meint, ich hätte sie gerade irgendeines kleineren Drogenvergehens wegen – Haschischbesitz zum Beispiel – festgenommen. Wir sehen uns um. Auf den Plastikstühlen sitzen drei junge attraktive Frauen, alle Prostituierte. (Keine anständige Thai würde sich so kleiden.) Sie bedenken uns mit bösen Blicken. Kimberley, vermute ich, würde sie am liebsten aus Freude darüber, dass sie am Leben sind, umarmen. Ich dirigiere sie hinaus auf die Straße – wo uns etwas entgegenschlägt, das man zwar nicht als »frische Luft« bezeichnen kann, aber immerhin die Lunge füllt. »Mein Gott, Sonchai, was für eine Welt. Welche Monster bringen wir bloß hervor?«
    Wir haben etwas Seltenes erreicht, Kimberley und ich: ein sexloses, aber dennoch vertrautes Verständnis zwischen einem Mann und einer Frau gleichen Alters, die sich körperlich attraktiv finden, jedoch – aus Gründen, die sich rationaler Analyse entziehen – beschlossen haben, nicht aktiv zu werden. Es überraschte mich, dass sie nach einem verzweifelten Anruf meinerseits kurzerhand ein Flugzeug nach Bangkok bestieg. Ich ahnte nichts von ihrer Spezialisierung auf Snuff Movies; genauso wenig wusste ich, dass diese im Augenblick der letzte Schrei bei der internationalen Polizei sind. Jedenfalls beruhigt es, von einem hochklassigen Profi, der sich mit der neuesten Technologie auskennt, unterstützt zu werden. Kimberley ist nicht intuitiv wie ich, hat dafür aber einen messerscharfen Verstand. Soll ich sie wie einen Mann oder wie eine Frau behandeln? Gibt es in ihrem Land Verhaltensmaßregeln für einen solchen Fall? Ich umarme sie kumpelhaft und drücke ihre Hand – offenbar das richtige Vorgehen. »Schön, dich hier zu haben, Kimberley«, sage ich. »Nochmal danke, dass du gekommen bist.«
    Sie lächelt mit jener Unschuld, die sich oft nach emotional tiefgreifenden Erlebnissen manifestiert. »Tut mir leid, ich bin ein Waschlappen.«
    »Beim ersten Mal Sehen hab ich genauso reagiert.«
    Sie nickt ohne das geringste Zeichen von Verwunderung. »Wo hast du das Ding her, von ’ner Razzia?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nein, es ist mir anonym nach Hause geschickt worden.« Sie bedenkt mich mit einem wissenden Blick; aha, eine private Sache also, scheint er zu sagen.
    »Und die Leiche, wo hat man die gefunden? Am Tatort?«
    »Nein, in ihrer Wohnung, ordentlich auf dem Bett ausgebreitet. Die Leute von der Spurensicherung sind sich sicher, dass sie woanders umgebracht wurde.«
    Jetzt kommt die amerikanische Superwoman in ihr zum Vorschein. »Die kriegen wir, Sonchai. Verrat mir, was du brauchst, dann sorg ich dafür, dass du’s kriegst.«
    »Keine Versprechungen«, erwidere ich. »Das hier ist nicht der Irak.«
    Sie runzelt die Stirn. Wahrscheinlich haben die Amerikaner diese Art von Spott allmählich satt. »Nein, aber der Film ist professionell gemacht, in einem bestimmten Stil.
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