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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Autoren: Ina Norman
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Windmond, 1460 p. DC
     
    Sie sahen einander zum ersten Mal in der Dämmerung eines klaren Herbsttages. Der Silberspan des jungen Mondes hing am Himmel und über ihm schwebte in einsamer Pracht der Abendstern.
    Vater Pindar trieb sein Maultier die letzten Längen des Bergpfades hinunter auf die Kreuzung der Hundert Wege.
    »Wir sind bald da. Von hier könnt Ihr das Haus der Weisen schon sehen, Fräulein Ava.«
    Seine Begleiterin lenkte ihre Schimmelstute neben ihn. Sie richtete sich im Sattel auf und sah sich neugierig um.
    Nach Süden senkte sich das Land allmählich zur weiten Ebene der Halbinsel Lathica, hinunter zu den Gestaden der Inneren See, an denen die wundersame und mächtige Küstenstadt Dea lag.
    Im Osten, jenseits der Talmulde, zwischen zwei flachen Ausläufern des Hochlandes, duckte sich eine Gruppe von Gebäuden aus grauem Gebirgsstein mit schindelgedeckten Dächern, umgeben von einer Ringmauer. Türme überragten die Anlage und Rauch stieg dünn in den Abendhimmel.
    »Ein Haus, Vater? Das ist größer als unsere Burg zu Hause.«
    »Es wird Euer Zuhause sein, für die nächsten drei Jahre«, die alten Augen zwinkerten, »immer noch kein Heimweh, Fräulein?«
    Ava von Tillholde lachte. Sie setzte sich zurecht und schlug die schweren Falten des Reitrockes über das angewinkelte Bein.
    »Nein, ich sagte Euch doch, es macht mir nichts aus wegzugehen. Was soll mir schon zustoßen unter all den guten Brüdern und Vätern? Ehe ich mich versehe, ist die Zeit vorbei und ich bin wieder zu Hause.«
    Sie strich eine dunkle Locke zurück, die sich aus dem silbernen Haarnetz gelöst hatte. »Ich werde mündig sein, siebzehn Jahre und in aller Form zur Thronfolgerin ernannt werden«, erklärte sie stolz.
    Der Vater nickte und betrachtete sie von der Seite, dieses einzige Kind des Fürstenpaares von Tillholde und die Hoffnung des Reiches. Das Leben der Bergbewohner war hart. Mit magerem Landbau und Erzförderung fristeten sie ein karges Dasein, ständig bedroht durch die unruhige Erde, die unter ihren Füßen bebte und Steinlawinen von den Schultern der Berge schüttelte. Doch die Götter hatten ein Einsehen gehabt und dem Fräulein Ava geheimnisvolle Kräfte verliehen, um ihr Volk vor diesem Übel zu bewahren. Im Haus der Weisen sollte sie ihre Gaben schulen, bevor sie ihr Erbe antrat.
    Des Wartens müde wollte Ava ihr Pferd in den Talgrund hinuntertreiben, doch Vater Pindars Maultier rupfte ruhig weiter das harte Gras am Wegrand.
    »Wartet, Fräulein ...«
    Über das blasse Band des Pfades, der sich im Süden von Lathica herauf wand, schleppten sich zwei Reisende.
    Der erste trug die schlichte Kleidung der Grauen Brüder, nur der schwarze Goller, der Kopf und Hals eng umschloss, wies ihn als einen Leiter des Ordens aus. Der zweite war so weit zurückgefallen, dass man seinen Anzug nicht erkennen konnte. An der Kreuzung sah sich der Vater um. Sogleich blieb auch der zweite Wanderer stehen und drehte ihm den Rücken zu.
    Der Vater machte eine müde Handbewegung und trat zu Vater Pindar.
    »Seid gegrüßt, Bruder. Wie war Eure Reise?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
    »Angenehm, nichts als angenehm, Dermot«, erwiderte der alte Mann lächelnd, »die Fürstin hat mich huldvoll empfangen und bewirtet. Zwei Knechte mit Decken und reichlich Wegzehrung hat sie uns mitgegeben. Gerade erst habe ich sie zurückgeschickt, aber das Fräulein hat sich nicht einmal nach ihnen umgesehen. Sie ist ein liebenswertes Kind. Wie ist es Euch ergangen, mein Freund? Eure Suche war erfolgreich, wie ich sehe.«
    Vater Dermot seufzte. »Erfolgreich? Vielleicht, es wird sich zeigen. Angenehm war es nicht.« Er sah zurück. Sein Gefährte hatte sich in Bewegung gesetzt, die Hände in den Hosentaschen schlurfte er weiter. Staubwolken wirbelten um seine Knöchel. »Ich habe ihn im Hafenviertel von Dea gefunden, im übelsten Winkel der Stadt. Er wollte nicht mitkommen, keinen Schritt hat er freiwillig gemacht.«
    »Was ist mit ihm? Warum habt Ihr gerade ihn ausgewählt?«
    »Ich habe ihn gespürt, kaum dass ich die Stadttore passiert hatte. Aus diesen Tausenden und Abertausenden von Menschen strahlte er hervor wie ...«, der Vater blickte zu dem blinkenden Abendstern hinauf und lachte ein wenig, »der Vergleich passt nicht. Er ist verwahrlost und stinkt. Nicht einmal jetzt, vor unserer Ankunft, wollte er sich waschen und saubere Kleidung anziehen.«
    »Wie heißt er? Haben seine Eltern ihn ziehen lassen?«
    Neugierig blickte Vater Pindar dem
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