Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
Vom Netzwerk:
absoluten physikalischen Konstanten gedacht, etwa an die
Angaben des Mendelejewschen Periodischen Systems. Wir hofften,
vielleicht einige für alle Teile des Weltalls gültige
mathematische Größen zu finden, doch bisher war alles
ergebnislos. Ich kann Ihnen versichern, daß weder ich noch meine
Mitarbeiter jemals mit solchem Nachdruck, solchem Eifer und solcher
Hingabe an einer Sache gearbeitet haben. Gestern abend fanden wir uns
zu einer wissenschaftlichen Beratung über diese Frage zusammen,
und wir kamen einmütig zu dem Schluß, daß wir nicht in
der Lage sind, die Aufzeichnung zu dechiffrieren.«
»Vielleicht haben die Signale gar keinen logischen Sinn?« warf ich zögernd ein.
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Grigorijew sofort.
»Ich bin überzeugt, daß sie einen Sinn haben, doch er
ist, wie soll ich es sagen, etwas Komplizierteres als ein Text oder ein
Gespräch. Als ich die Linien über die Bildschirme der
Oszillographen huschen sah, glaubte ich eine Aufzeichnung von Gedanken
höherer Ordnung vor mir zu haben. Ich kam mir vor wie ein
Analphabet, der eine Monographie über höhere Mathematik in
seinen Händen hält.«
»Sie sind aber doch wohl kein Analphabet«, meinte Lawrenti Pawlowitsch lächelnd.
»Das war aber auch keine höhere Mathematik!« Professor
Grigorijew blieb ganz ernst. »Nein, nein, Lawrenti Pawlowitsch,
ich bin sicher, die Dechiffrierung übersteigt unsere
Kräfte.«
»Ich habe das Protokoll Ihrer Beratung gelesen und lange
darüber nachgedacht. Und je weiter ich mich in das Problem
vertiefte, desto hartnäckiger drängte sich mir ein
ketzerischer Gedanke auf, den ich Ihnen beiden mitteilen will: Besteht
unser Fehler nicht in der Fragestellung? Wir fragen uns, was auf dem
Faden aufgezeichnet ist, nicht aber, warum es aufgezeichnet
wurde.«
»Ich verstehe Sie nicht, Lawrenti Pawlowitsch«, sagte ich.
Ȇberlegen wir uns doch, welchen Zweck die Aufzeichnung
verfolgte. Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus einem fernen
Sonnensystem und besuchen einen fremden Planeten, auf dem es noch keine
vernünftigen Wesen gibt, die in der Lage sind, zu urteilen wie
Sie. Sie wollen eine Aufzeichnung zurücklassen, eine Botschaft an
spätere, einsichtigere Bewohner dieses Planeten. Wie werden Sie
verfahren?«
»Ich würde eine Möglichkeit suchen, meine Gedanken auf
eine Weise wiederzugeben, die für jedes vernunftbegabte Wesen
erfaßbar ist, und ich würde ferner dafür sorgen,
daß die Botschaft lange Zeiträume zu überdauern
vermag.«
»Richtig!« rief Lawrenti Pawlowitsch befriedigt. »Die
zweite Bedingung wurde zweifellos berücksichtigt. Die
Siliziumisolierung schützt die Aufzeichnung nicht nur über
Jahrtausende, sondern über Jahrmillionen. Und dieser Umstand ist
für uns ein Hinweis darauf, daß sie für
›Leser‹ angefertigt wurde, die erst nach einer sehr
langen Zeitspanne auftauchen konnten. – Nun wollen wir uns mal
die erste Bedingung ansehen. Wie kann man seine Gedanken auf eine ganz
allgemein faßbare Weise weitergeben? Sie werden mir zugestehen,
daß sich Sprache und Schrift hierfür denkbar wenig eignen.
Diese Ausdrucksmittel unseres zweiten Signalsystems sind viel zu sehr
zeit- und ortsgebunden und müssen verworfen werden.«
»Vielleicht durch einen Film?« schlug ich vor.
»Durch einen Film – ja, das wäre schon besser. Die
Bilder eines Films vermag jeder zu erfassen.« Lawrenti
Pawlowitsch dachte einen Augenblick nach. »Doch leider ist unser
Faden kein Film.«
Professor Grigorijew wandte sich an mich.
»Wir haben natürlich versucht, die Aufzeichnung in jede
denkbare Form von Licht und Tönen umzusetzen. Doch es ist nichts
dabei herausgekommen.«
»Eben, ein Film ist es also nicht«, fuhr Lawrenti
Pawlowitsch fort. »Oder, genauer gesagt, keine Aufzeichnung von
Lichtbildern. Vielleicht enthält dieser Faden universelle
Sinneswahrnehmungen, die durch irgendein anderes Verfahren fixiert
wurden.«
»Welches wir leider noch nicht kennen«, warf Grigorijew ein.
»Also haben wir das Mohammedhaar zu früh gefunden«,
meinte Lawrenti Pawlowitsch lächelnd. »Die türkischen
Hodschas konnten es ja auch nicht enträtseln. Doch wir, darin
werden Sie mir zustimmen, sind schon bedeutend weiter als sie. Und
deshalb dürfen wir die Versuche nicht aufgeben. Wir verfügen
über genügend Möglichkeiten, um auf einen Erfolg zu
hoffen. Wenn wir gemalte Bilder von uns hätten, dann könnte
sie jeder erfassen; wäre es ein Film, dann hätte man ihn
schon vor fünfzig Jahren projiziert, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher