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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag"
Autoren: Dorit Kowitz
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sie. Und Kollegen beschlich das Gefühl, man wolle mich zermürben. Ich wehrte ihre Gedanken ab. Das konnte nicht passieren, nicht mir!
    Die Kinder lernten laufen – ich bemühte mich, in ihrem Leben auf dem Laufenden zu bleiben. Sie lernten sprechen und Witze machen und zu reimen und zu singen. Ich lernte, dass größere Kinder mehr Spaß machen und man sie noch mehr vermisst. Aber ich gab nicht auf, ich rang unentwegt darum, im Beruf wieder so geachtet zu werden wie vor der Geburt. Ab irgendeinem Zeitpunkt nahm es die Züge eines lautlosen, unfairen Kampfes an. Und ich spürte immer deutlicher, dass ich ihn nur verlieren konnte.
    War es das wert? Ging es nur darum, dazuzugehören? Irgendwo fest zu sitzen? Geld und gut? Aber da brach der Markt erneut ein. Medienkrise, die zweite. Journale wurden eingestellt, die Straßen von Berlin, Hamburg und München und Köln waren wieder überschwemmt mit hungrigen Reportern. Aus Paris, Moskau, New York, aus München und Hamburg schickten mir befreundete Kollegen Mails, die alle denselben Tenor hatten: „Take the money and shut up!“
    Ich riss mich zusammen. Paul riss sich zusammen. Mit zwei Kindern geht es nicht nur ums Selbstverwirklichen. Es geht ums Abendbrot, die Winterjacken Größe 104, die Rate fürs Haus. Wir wollten nicht erpressbar sein, aber eine Zeitlang waren wir es. Wir probierten die Taktik des Klappehaltens und klaglosen Schaffens. Aber ich war nicht Journalistin geworden, um zu schweigen, wenn es ungerecht zuging. Und was nützte meinem Kind die neue Winterjacke, wenn ich sie ihm morgens nie selbst anziehen konnte?
    Paul und ich waren im Minus gelandet, verdammt tief im Minus. Wir wollten wieder ins Plus, dringend, schnell, bald, jetzt. Wir hatten genug überlegt, abgewogen, gezögert. Ich drängte im Verlag auf Gespräche. Wir machten der Sache ein Ende. Und daraus ein Happy End für uns als Paar.
    Und jetzt bin ich da. Ich bin DA! Ich arbeite, wo ich wohne und wohne, wo ich arbeite, wo meine Kinder in den Kindergartengehen, wo meine neuen Freunde leben. Wo Paul ist. Ich habe heute von zu Hause bis in mein Büro sechs Minuten gebraucht. Das ist irre. Wenn ich reise, dann um zu recherchieren, und wenn ich nach Berlin fahre, dann um mich zu vergnügen. Ich habe dafür meinen festen Job aufgegeben. Es kommt mir trotzdem vor wie ein Geschenk.
    Jetzt muss ich los. Ich treffe Paul zum Mittagessen. Wir müssen besprechen, was wir Helene zur Hochzeit schenken. Sie heiratet in vier Wochen den Londoner.
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