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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag"
Autoren: Dorit Kowitz
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erzählte. Ich machte ihm einen Vorschlag, den ich mit Kollegen und Freunden zuvor besprochen hatte und den jeder perfekt fand: Die maximale Dreißig-Stunden-Zahl der Elternzeitregelung ausschöpfen, auf vier Werktage verteilen und einen dieser vier Tage von Leipzig aus arbeiten, Dienstreisen und Sonntagsdienste würde ich leisten nach Bedarf, genau wie früher.
    Journalisten eines Wochenmagazins verbringen viele Stunden recherchierend am Telefon, müssen viel lesen und können überall schreiben, solange sie ein Laptop und Strom haben. In Hamburg war es normal, dass wir unsere Texte zu Hause schrieben. Mein Vorschlag wäre darum leicht umsetzbar gewesen. Da ich nach meiner Arbeit dürstete, für meinen Ehrgeiz bekannt war (dachte ich) und ein hübsches Portfolio aus fünfzehn Berufsjahren aufweisen konnte, konnte ich nicht ahnen, dass mein Vorgesetzter derart feindselig auf meinen Vorschlag reagieren würde. Doch so kam es. Ich hatte kaum ausgeredet, da beschied mir der Mann schroff: „Nein, so geht das überhaupt nicht, vielleicht suchst du dir besser etwas in deiner Nähe.“
    Da hat man doch gleich richtig Freude am Leben!
    Ich konnte ein paar Sachen nicht wissen, zum Beispiel, dass dem Mann sein Job zum Halse heraushing. Er hatte sich in dem Jahr, während ich weg war, dauernd mit der Hamburger Zentrale um Texte und Themen streiten müssen. Zweitens, in der Hauptredaktion des Magazins hatten viele Mütter und Väter in den Jahren zuvor individuelle Verträge nach der Geburt ihrer Kinder ausgehandelt – leider kosteten so manche das Entgegenkommen allzu gründlich aus. Was michbetraf, einen neuen Fall von Mutter mit Karriere, sollte nun Schluss mit lustig sein. So verkaufte mir nachher der Chefredakteur das Ganze jedenfalls: „Wir machen so etwas nicht mehr.“ Was auch immer „so etwas“ meinte.
    Das geschah ungefähr zu jener Zeit, als das Magazin eine schöne Geschichte über berufstätige Mütter auf der Titelseite platziert hatte. Sie hieß: „Die Teilzeit-Falle.“ Ich sprang gerade voll hinein, mit Anlauf sozusagen: Eine Frau mit zwei Babys, die weder laufen noch sprechen konnten, und mit einem selbstständigen Ehemann, der vierzig Angestellte und seinerseits eine Fünfzig-Stunden-Woche hatte, sollte jetzt beweisen, dass sie entweder den Spagat sofort und perfekt hinlegt und sich bloß nichts anmerken lässt – oder sie sollte eben von sich aus die Brocken hinwerfen. Es war nicht böse gemeint. Es war schlimmer: Sie machten sich keine Gedanken.
    Betriebsräte waren erschrocken über den Umgang mit mir, ein paar Redaktionsbeiräte zeigten sich empört, befreundete Kollegen wütend. Ich war nur enttäuscht. Und das auch nur kurz. Ich ließ mich nicht abschrecken. In der Sekunde, als das Gespräch diese unerfreuliche Wendung nahm, sagte ich zu meinem Büroleiter nur: „Nein, Rudi, ich suche mir ganz bestimmt nichts in meiner Nähe. Ich bin Redakteurin in diesem Magazin und das nicht, weil ich den Job zufällig im Lotto gewonnen habe.“
    Da man in der männlichen Führungsriege offenbar nicht zu wissen schien, dass sich auch eine Frau wahnsinnig nach ihrem Beruf sehnen konnte, weil die Windelscheißer zu Hause sie schlicht unterforderten, rechneten sie nicht mit meiner Zähigkeit. Ich hatte mein ganzes Wickelvolontariat über Kraft gesammelt. Darum blieb ich trotz des Affronts gut gelaunt. Ich hatte Ideen und wollte sie umsetzen. Für mich war ich naturgemäß derselbe Journalist wie vorher.
    Wir einigten uns auf eine Vier-Tage-Woche in Berlin – und dass ich „nach Absprache“ einen Tag pro Woche zu Hause arbeiten könnte. Ich kaufte mir eine „BahnCard 100“ meines Lieblingstransportunternehmens; sie allein kostete uns als Familie zwei meiner Nettogehälter. Gleichzeitig sank mein Jahresgehalt um ein Fünftel brutto, da ich verkürzt arbeitete. Immerhin tat mir die Bahn AG im Gegenzug den Gefallen, den Zugtakt Leipzig-Berlin auf eine Stunde zu verdichten, und sie senkte die Fahrtdauer dieser Strecke von zwei Stunden auf siebzig Minuten.
    Zurück im Job wurde ich auf jedem zweiten Recherchetermin, an den sich ein semi-privates Geplänkel anschloss und jemand herausfand, dass ich einjährige Zwillinge hatte, staunend gefragt: „Und was machen Sie in dieser Zeit mit Ihren Kindern?“ Gemeint war von den Interviewpartnern stets die Zeit, in der ich meiner Arbeit nachging, so wie sie selbst auch. Bis dahin hatte ich gedacht, dass derartige Fragen aus Männermündern westdeutsche Emanzen-Märchen
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