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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht
Autoren: Christoph Spielberg
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Kapitel 1

    Als Celine endlich aus Bagdad zurückkam, waren wir hundertundeinen Tag getrennt gewesen. Und hundertundeine Nacht. Nicht, daß wir sonst all diese Nächte zusammen verbracht hätten, dazu waren wir schon zu lange ein Paar. Aber hundertundein Tage bedeuteten vierzehn Samstage, an denen wir nicht das Wochenende mit einem Frühstück zu zweit eingeleitet hatten, und vierzehn Sonntagabende ohne den Spaß des gemeinsamen Kochens. In diesen hundertundein Tagen war aus anfänglichen guten Wünschen banges Warten geworden, seit zwei Wochen schließlich schreckliche Gewißheit. Deshalb war mir Celines Rückkehr aus dem Irak jetzt irgendwie gleichgültig. Natürlich fuhr ich trotzdem zum Flughafen.

    Flug LH 1600 aus Frankfurt landete um 17 Uhr 11 mit sechs Minuten Verspätung auf der, Landebahn 08. Ein kurzer Kippler nach rechts, vom Autopiloten sofort ausgeglichen, dann wirbelte die kleine Wolke aus Gummi und Staub auf, als das Fahrwerk Bodenkontakt bekam. Wenn nicht selbst an Bord, halte auch ich Fliegen für die sicherste Sache der Welt, und Celine war ohnehin immer gerne geflogen.

    Celines Eltern standen am Gate 12 und starrten auf das Flugfeld – eine kleine Frau, die sich an ihrer Handtasche festhielt, daneben der Vater, Augen geradeaus, in fast militärisch stoischer Haltung. Kaum zu glauben, daß die beiden gerade gut zehn Jahre älter als ich waren! Ich hatte sie nur kurz gegrüßt und mich dann abseits gehalten. Schließlich war es ihre Tochter, die nach fast einem halben Jahr endlich zurückkehrte, schon vor Tagen waren sie nach Berlin gekommen und hatten hier gewartet. Während die Maschine jetzt langsam ausrollte, tauchte ein offiziell wirkender Mann bei den Eltern auf, schien ihnen etwas zu erklären und nahm sie dann mit, fort aus meinem Blickfeld.

    Ich hatte mich zu Celines Empfang nicht besonders herausgeputzt, mein legerer Aufzug würde Celine genauso wenig stören wie die fehlenden Blumen. Eher könnten die Leute vom Bundesgrenzschutz irritiert sein, junge Männer, kaum der Pubertät entwachsen. Mit ihren schußbereiten Maschinenpistolen bevölkerten sie das gesamte Terminal, musterten mich mißtrauisch nach der unter meinem Wintermantel versteckten Handgranate oder Boden-Luft-Rakete. Mit den täglich schärferen Tönen aus Washington und dem jüngsten al-Qaida-Drohvideo war die Situation auf dem Flughafen merklich angespannt, die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verstärkt worden.

    Während die ersten eiligen Passagiere aus Frankfurt, die Geschäftsleute mit ihren Aktentaschen und dem Parkticket vom Morgen, schon zum Parkdeck eilten, beobachtete ich, wie eine Ebene tiefer das Gepäck über ein Förderband aus dem Bauch der Maschine kam. Koffer natürlich, ein paar Kinderwagen, dazwischen ein Surfbrett und zum Schluß zwei Paar Ski. Dann wurde das Förderband weggeschafft, ein Gabelstapler nahm seinen Platz ein und fuhr die Hebearme auf die Höhe der Gepäckklappe aus. Vorsichtig plazierten die Transportarbeiter den Zinksarg, ebenso vorsichtig ließ ihn der Mann im Gabelstapler hinunter. Jetzt sah ich auch Celines Eltern wieder, stumm standen sie dort unten neben dem großen Flugzeug, etwas hinter ihnen der Mann, der sie eben im Empfangsbereich abgeholt hatte.

    Der Gabelstapler setzte behutsam zurück, beschrieb eine kleine Kurve und verschwand mit seiner Last unter dem Terminal. Mit schweren Schritten folgten ihm die beiden so schnell gealterten Leute. Ihre Tochter war heimgekehrt.

    Im Flughafen Berlin-Tegel wird die Luftfracht direkt unter dem Passagierterminal abgefertigt. Wahrscheinlich öffnete der Zoll gerade den Sarg, zur Kontrolle, daß keine Drogen oder Giftgasampullen auf diesem Weg nach Deutschland eingeschleust würden. Die Zeiten von Särgen als Transportmittel für derlei Dinge sind zwar lange vorbei, aber vielleicht rechnet unser Zoll mit ein paar Nostalgikern unter Bagdads Drogenbaronen.

    Ich ging zu meinem Wagen und ließ Celines Eltern allein mit ihrem Schmerz. Sie hatten deutlich gemacht, daß der Empfang des Sarges ihre Sache war, Dr. Hoffmann dabei unerwünscht. Wahrscheinlich gaben sie mir die Schuld an Celines Ausflug nach Bagdad und an seinem tödlichen Ausgang. Zu Unrecht, die ganze Sache war allein Celines Idee gewesen. Aber das war nun egal.

    Ich kannte diese Leute ohnehin kaum. Einmal hatte ich Celine ins elterliche Reihenhaus in Hamburg-Bergedorf begleitet, zu einem Weihnachtsfest, das in einem Riesenkrach zwischen Eltern und Tochter endete.

    »Und warum
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