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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns
Autoren: Robert Rankin
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ihn, diese Anleitungen auf den Buchstaben getreu zu befolgen, und versprach ihm, daß sich die Dinge zu seinem allergrößten Vorteil verändern würden.
    Omally überflog die Strophen mit von Zweifeln gefurchter Stirn. Während er mit dem Entziffern beschäftigt war, fügte der Professor noch hinzu, daß regelmäßiges Ölen genauso unabdingbar war wie das gelegentliche Wechseln der Bremsgummis, das Richten des Dynamos oder ein Satz neuer Schutzbleche. Wann immer möglich, war das Fahrrad mit dem Vorderrad in Richtung Westen abzustellen, wobei einem sonnigen Platz Vorzug vor Schatten zu geben war. Des Nachts durfte das Gefährt auf gar keinen Fall allein gelassen werden, sondern war stets in Begleitung eines anderen geräderten Fortbewegungsmittels abzustellen (allerwenigstens jedoch eines Rasenmähers). Es war zinnoberrot zu streichen und ab sofort für alle Zukunft mit dem Namen ›Marchant‹ anzusprechen.
    Omally starrte den alten Gelehrten mißtrauisch an. Er wollte ihn sicherlich auf den Arm nehmen, genaugenommen sogar auf den kräftigsten aller nur denkbaren Arme.
    Der Professor jedoch, der nicht nur Omallys Aura, sondern auch dessen Gedanken lesen konnte, hob einen spindeldürren Finger und sagte einfach nur: »Vertrau mir, John.«
    An jenem Tag verließ der tapfere Sohn Irlands nachdenklich das Haus des Gelehrten, während er Marchant am Lenker mit sich führte. Die Sache schien den Aufwand nicht wert. Vielleicht war es besser, das alte Ding wegzuwerfen und sich ein neues Fahrrad zuzulegen. (Omally gehörte zu jener Sorte Menschen, die ein unverschlossenes Fahrrad als öffentliches Eigentum betrachteten.) Andererseits war sein Vertrauen in die Fähigkeiten Professor Slocombes grenzenlos. Noch bevor er die halbe Entfernung zum Fliegenden Schwan zurückgelegt hatte, war er zu dem Entschluß gekommen, die Herausforderung anzunehmen.
    Das Pergament erwies sich als große Attraktion unter den Mittagsgästen des Lokals, und ein auserwähltes Kollegium aus Semantikern, bestehend aus dem Alten Pete, Norman vom Eckladen und Omallys bestem Freund Jim Pooley, machte sich unverzüglich daran, die alten Strophen in modernes Brentforder Englisch zu übersetzen. Je weiter sie mit ihrer Aufgabe voranschritten, desto deutlicher wurde die kuriose Natur der Zeilen. Strophe neun zum Beispiel, Zeile drei und vier lauteten:
     
    Nie gegen die Sonne darf Marchant rollen
    Soll nicht Gefahr und Pech er Tribut zollen
     
    Der Alte Pete, der erst kürzlich dem lokalen Hexensabbat beigewohnt hatte, verstand ihre Bedeutung fast im ersten Augenblick. »Das heißt«, verkündete er, »daß du mit diesem Fahrrad niemals nach links um eine Ecke biegen darfst, weil du sonst mit schrecklichen Konsequenzen zu rechnen hast.«
    Omally vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Strecke zu planen, wenn man immer nur nach rechts abbiegen konnte! Das war nicht nur durch und durch lächerlich, das war sogar richtiggehend lebensgefährlich! Ganz besonders in feuchtfröhlichen Nächten, wenn der Rinnstein den Nachhauseweg diktierte.
    Doch der Ire war ein Mann von Charakter und Ausdauer, und so war er in der Folge von manch einem nächtlichen Spaziergänger beobachtet worden, wie er in immer enger werdenden rechtsgerichteten Spiralen auf seinem zinnoberroten Fahrrad nach Hause geradelt war, um schließlich wie der berühmte Vogel in der Antike in seinem eigenen Hintereingang zu verschwinden.
    Omally und Marchant hatten schwierige Zeiten hinter sich, kein Zweifel, doch diese Zeiten waren jetzt, da er mühelos die steile Sprite Street hinaufradelte, nichts weiter als blasse Erinnerung.
    John und Marchant waren en rapport, wie die Knoblauchfresser es ausgedrückt hätten, und der Grad ihrer Übereinstimmung war in der Tat bemerkenswert.
    Der geübte Beobachter nämlich, geschult in Angelegenheiten wie der Fortbewegung per Fahrrad, hätte augenblicklich bemerkt, daß etwas nicht stimmen konnte mit der mühelosen Art und Weise, wie der Sohn Irlands in die Pedale seines getreuen Begleiters trat. Denn während Mann und Rad sich in flüssiger Harmonie bewegten, fehlte etwas Vitales — etwas, das als unabdingbares Requisit jeglichen Pedalistentums angesehen wurde. Die Pedale drehten sich, die Räder mit, doch nichts, absolut überhaupt nichts bewegte sich zwischen Kettenblatt und dem hinterem Ritzel der Stormy-Archer-Dreigangschaltung …
    Omallys Fahrrad Marchant besaß keine Kette.

Kapitel 4
     
    Ted McCready blies in seine Pfeife, schwenkte die Flagge hin
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