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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns
Autoren: Robert Rankin
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beschränkten sich auf ein Paar unpassender, durchgescheuerter Socken und das schrille Hawaiihemd, das seine Ex-Gattin ganz besonders gehaßt hatte. Außerdem kultivierte Norman seit kurzer Zeit ein paar haarsträubende Koteletten, die ihm seiner festen Meinung nach zu einem unwiderstehlichen Sex-Appeal verhalfen.
    »Das Leben ist gar nicht so schlecht, wenn man nicht schwach wird«, pflegte er seine Kundschaft ununterbrochen zu informieren, wobei er stets vorsichtig hinzufügte, daß das natürlich nur der Fall war, wenn man den Bastarden (wer auch immer sie sein mochten) keine Gelegenheit gab, einen fertigzumachen.
    Lautlos zwischen Zähnen eigenen Designs und eigener Konstruktion hindurch pfeifend klappte Norman die Klinge seines Bodaschwertimitats von einem Papiermesser auf und durchtrennte die Kordeln des Zeitungsbündels. Er zerknüllte das rosafarbene Abdeckblatt und warf einen ersten Blick auf die Schlagzeilen der Woche. Diese jeden Freitag wiederkehrende Routine hatte etwas von einem Ritual an sich, etwas, das ans Mystische grenzte, obwohl sich Norman dessen nicht bewußt war und keinesfalls den Ernst an den Tag legte, der Ritualen im allgemeinen zu eigen ist.
    Aber so war das häufig in Brentford und mit den Brentfordern. Gar manche Gewohnheit schien im Lauf der Zeit eine fast magische Signifikanz gewonnen zu haben.
    Zum Beispiel die tägliche Prozession im Morgengrauen, die der alte Professor Slocombe entlang der Gemeindegrenzen unternahm. Oder die Art und Weise, wie Neville der Teilzeitbarmann jeden Tag die Bierpumpen des Fliegenden Schwans überprüfte. Dinge wie diese waren es, die den Charakter Brentfords ausmachten und die Gemeinde von den umliegenden deutlich unterschieden. Brentford ermangelte es an der Weltmännischkeit Hounslows, dem Aufstreben Ealings, der jungen Professionalität Chiswicks oder der reservierten Urbanität Kews. Und so überraschte es auch niemanden weiter, daß die Initialen dieser umgebenden Gemarkungen sich zu dem Wort HECK verbinden ließen, dem viktorianisch-britischen Euphemismus für das Wort HÖLLE.
    Norman schleuderte die verknotete und durchtrennte Kordel in die grobe Richtung eines überquellenden Papierkorbs unter seiner Ladentheke, lehnte sich auf die verschlissenen Ellbogen seines abgetragenen Kaufmannskittels und überflog die Ereignisse der Woche.
    Eine Schlagzeile erregte seine Aufmerksamkeit:
     
    GROßER TUMULT IN KIRCHENHALLE
    UM UNSICHTBAREN MYSTIKER
     
    hieß es in der fetten Überschrift, die ein Drittel der Titelseite einnahm. ›Guru verschwindet mitsamt allen Geldern während einer Schlägerei‹.
    Norman kicherte leise vor sich hin, während er in dem Bericht las, wie der einheimische schwarze Magier und selbsternannte Vollbringer zahlloser Wunder Hugo Rune 1 , als es ihm nicht gelungen war, sich vor den Augen einer größeren Menschenmenge in Luft aufzulösen, eine ganz andere Art von ›Verdünnisierungskunst‹ demonstriert hatte, nachdem die unzufriedenen Leutchen böse geworden waren und die Rückgabe ihres Geldes verlangt hatten. Vater Moity hatte mögliche Schäden an den jakobinischen Balken seiner erst kürzlich restaurierten Kirche befürchtet und die Polizei gerufen. Im Verlauf der sich daran anschließenden Keilerei waren zwölf Einheimische verhaftet worden, und seit diesem Augenblick suchte die Konstablerei nach dem Verbleib des Wundervollbringers.
    Norman schüttelte den Kopf und blätterte um.
     
    BIRMINGHAMS OLYMPISCHE
    HOFFNUNGEN
    LÖSEN SICH IN RAUCH AUF:
    FEUER IN STADION BEENDET ALLE
    TRÄUME
     
    Selbstverständlich hatte Norman all das bereits im Radio gehört. Die lange Liste der Fehler und Nachlässigkeiten des Managements, Stümpereien, Ineffizienz und Chaos hatten monatelang für Schlagzeilen gesorgt. Wie David Coleman es ganz richtig ausgedrückt hatte: Die olympischen Träume waren schon seit langem zum Scheitern verurteilt.
    »Schande«, sagte Norman leise zu sich selbst. »Ich dachte, ich hätte eine Chance im Speerwerfen.«
    Weiter unten auf der gleichen Seite befand sich ein Artikel, den wahrscheinlich jeder andere Herausgeber als Schlagzeile präsentiert hätte:
     
    GROSSER GOLDBARRENRAUB:
    DIEBE MACHEN FETTE BEUTE
    BEIM GRÖSSTEN FISCHZUG
    DES JAHRHUNDERTS.
     
    Einmal mehr pfiff Norman zwischen den handgemachten Dritten hindurch, als er die Zahl las. Selbst, wenn man den Hang zur Übertreibung von Knüller Molloy, dem Klatschreporter des Brentforder Merkur, in Rechnung stellte, schien es nur wenig Zweifel zu geben,
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