Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns
Autoren: Robert Rankin
Vom Netzwerk:
letztendlich sogar dessen Vorsitz.
    So ärgerlich die Opposition hier in Brentford auch war, Mrs. Naylor betrachtete sie als gute Übung für das, was noch vor ihr lag.
    Während sie an diesem Morgen unter der Dusche stand, war sie in Gedanken ganz beim kommenden Tag. Sie war seit dem frühen Morgengrauen auf und hatte eine Reihe wichtiger Telefongespräche geführt. Wenn das Schicksal gnädig gestimmt war, würde sie der Gemeinde in Kürze einen Tritt in das behäbige Hinterteil versetzen, wie diese es noch nie zuvor erlebt hatte, und sich dabei einen Platz in der Geschichte sichern. Und dann? Ein Schritt nach dem anderen.
    Die Nadeln aus Wasser verwandelten sich in sanft fließende Kaskaden, während sie auf die Umrisse eines Körpers prallten, der seine Perfektion ausdauerndem Aerobic verdankte.
    Als Mrs. Naylor fertig war, trocknete sie sich mit einem großen pfirsichfarbenen Handtuch ab, sprühte Deodorant an die dafür vorgesehenen Stellen, widmete sich der Geduldsarbeit femininer Toilette und schlüpfte schließlich in eine Garderobe, die Raffinesse mit Understatement und Eleganz mit Provokation und unterschwelliger Sexualität kombinierte. Nicht mehr und nicht weniger.
    Nachdem sie ihr Spiegelbild begutachtet und alles zu ihrer Zufriedenheit vorgefunden hatte, ging sie zielstrebig ins Schlafzimmer zurück, griff mitten zwischen die zerwühlten Satinbettlaken und zerrte ein Rauhbein namens John Vincent Omally hervor.
    »Danke für die Nacht, John, aber jetzt ist es Zeit«, sagte sie und lächelte süß. Omally wußte, auf welcher Seite das Brot gebuttert war. Er zog sich hastig und ohne Murren an und verließ das Haus ohne Kaffee oder Croissants.
    Er ging, wie er gekommen war: diskret. Durch die Hintertür. Er nahm sein Fahrrad Marchant aus Jennifers Garage, stieg in den Sattel und radelte davon.
    Mrs. Naylor warf das Bettzeug in den Wäschekorb, schaltete den Anrufbeantworter ein, nahm ihren Filofax und die Aktentasche zusammen mit den Porscheschlüsseln an sich und verließ das Haus durch den Vordereingang.
    Omally radelte die Moby Dick Terrace hinunter in Richtung Half Acre, und sein altes Fahrrad unter ihm surrte wie am Schnürchen. Die geschmierten Kugellager der neuen Stormy-Archer-Dreigangschaltung schnurrten zufrieden, und die gleichermaßen geölten Spiralfedern des Sattels boten Johns Hinterteil den notwendigen Komfort, der für antriebslose Fortbewegung erforderlich war. Rad und Fahrer bewegten sich in harmonischem Einklang, und welcher buddhistische Mönch die seltene Demonstration von Dharma auch sah, nickte anerkennend in Richtung dieser vollkommenen Einheit von Mensch und Maschine. Es war ein prachtvoller Anblick. Doch das war nicht immer so gewesen.
    Das Fahrrad befand sich seit langen Jahren in Omallys Diensten, und viele Jahre waren ihre Beziehungen gespannt und hin und wieder für beide schmerzhaft gewesen. Daran hätte sich ganz ohne Zweifel nichts geändert, wäre nicht der Zufall, so es einen solchen gibt, auf den Gedanken gekommen, zu intervenieren. Der Zufall in Person eines gewissen Professor Slocombe, Brentfords Patriarch und einheimisches Mysterium.
    Omally war unter Mühen über das Butts Estate geradelt, ein elegantes georgianisches Wohnviertel der Gemeinde, als er sich plötzlich von Marchant aus dem Sattel geschleudert wiedergefunden hatte und in einem würdelosen Haufen Elend vor dem Älteren gelandet war, der in seiner Gartentür gestanden und die Szene beobachtet hatte.
    Professor Slocombe hatte den ›Unfall‹ und die darauffolgenden Attacken Omallys gegen das störrische Fahrrad beobachtet und sich zum Eingreifen entschlossen. Nachdem er den aufgebrachten Iren beruhigt hatte, lauschte er mit Interesse seinem Leid und Elend und bat ihn schließlich, das Fahrrad für die Dauer von vierundzwanzig Stunden seiner Obhut zu überlassen. »Um zu sehen, was getan werden kann«, wie der Professor es nannte.
    John, der augenblicklich erkannte, daß der alte Gelehrte im Begriff stand, seinem gewaltigen Wissensschatz und der endlosen Liste von Errungenschaften neue Kenntnisse über Wartung und Reparatur von Fahrrädern hinzuzufügen, hatte dieser Bitte dankbar nachgegeben.
    Und staunte nicht wenig, als er am nächsten Morgen den Lohn für seine Mühen in Form eines großen Stückes Pergament mit dreizehn Strophen eines Textes in archaischem Englisch erhielt. Sie lasen sich wie die Prophezeiungen des Nostradamus und ergaben für John ungefähr genausoviel Sinn. 4 Der Professor ermahnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher