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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns
Autoren: Robert Rankin
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pflegte, um die Qualität der Stunde abzuschätzen, sann er darüber nach, wo der dieswöchentliche Merkur sich die sprichwörtlichen geflügelten Hacken abkühlen mochte.
    Wie der legendäre alte Meisterdetektiv wußte auch Neville, daß nach Eliminierung des Unmöglichen der Rest, ganz gleich wie unwahrscheinlich, die Lösung enthalten mußte. Alles schön und gut, doch die Umsetzung vonTheorie in Praxis ist eine ganz andere Sache. Die Aussicht, in Mülltonnen zu wühlen und zweifelhafte Gullys zu inspizieren enthielt nur wenig, was man als verlockend bezeichnen konnte. Neville seufzte tief und schwor sich einen stillen Eid, daß er dem irregeleiteten Zeitungsjungen einen mächtigen Rüffler versetzen würde, sobald sich ihre Wege das nächste Mal kreuzten; Fixierung hin, Neurose her.
    An dieser Stelle würden wir Neville vielleicht verlassen haben, der sich schäumend vor Wut und mit mürrischem Gesicht darauf vorbereitete, die Ostfront des Fliegenden Schwans abzusuchen, hätte nicht in genau diesem Augenblick ein kleines, jedoch auf seine Weise bedeutungsvolles Ereignis stattgefunden. Neville der Teilzeitbarmann nahm einen vorbereitenden tiefen Atemzug — und wurde zum unfreiwilligen Empfänger eines großen Schwalls von unheilverkündendem Gestank, der mit einem Mal in der zuvor von Rosenduft schwangeren, lieblichen Brentforder Morgenbrise hing.
    »Ihr Götter!« ächzte der Teilzeitbarmann unerwartet nasal, als er von dem üblen Hauch getroffen wurde. Er preßte verzweifelt die Nüstern zusammen und keuchte in die Hand. Die Zeitung war vergessen, während er fächelnd um irische Luft rang und rückwärts in den Fliegenden Schwan zurückstolperte, um hinter sich die Tür ins Schloß zu werfen.
    Mit einem leisen Zischen glitt das hintere Fenster eines großen, schwarzen Automobils wieder zu, das vor dem Fliegenden Schwan geparkt stand, und versiegelte den Innenraum vor der Welt. Das Fahrzeug ordnete sich in den Verkehr ein und entfernte sich mit wachsender Geschwindigkeit die Ealing Road hinunter.
    Norman, der in diesem Augenblick mit der schweren Zeitungstasche auf den Schultern aus seinem Laden trat, sah es vorbeifahren. Es gab nicht vieles über Automobile, das der aufgeweckte Bursche nicht gewußt hätte — seinem eigenen revolutionären Gegenentwurf zum herkömmlichen Verbrennungsmotor, dem Hartnell Harrier in der Mietgarage, fehlten nur noch ein paar essentielle Teile —, doch diese Limousine stellte den genialen Eckladenbesitzer vor ein Rätsel.
    Nicht nur, daß sie sich absolut lautlos fortbewegte, ihr fehlte darüber hinaus jeglicher Hinweis auf einen Auspuff. Norman kratzte sich am Kopf, und kleine Staubwolken stiegen auf.
    Wie mag das denn nun wieder funktionieren? wunderte er sich. Antimaterie vielleicht? Plasmaphotonenionisatoren, die eine Kreuzpolarisation mit Beta-Teilchen nutzten, um einen Interrositor vermittels eines subatomaren Konverters zu bombardieren?
    Eine höchst naheliegende Vermutung. Norman kritzelte eine hastige Notiz auf eine halbleere Packung Woodbines, dann hob er seine Zeitungstasche und machte sich auf den Weg, die Nachrichten zuzustellen.

Kapitel 3
     
    Die Wahl von Mrs. Naylor, der früheren Bibliothekarin der Brentforder Memorial-Bücherei, in die öffentlichen Ämter nicht nur der Stadtdirektorin, sondern auch zur Vorsitzenden des städtischen Planungskomitees, war mit lautem Aufschrei und viel bitteren Ressentiments seitens des männlich dominierten Stadtrates zur Kenntnis genommen worden.
    Man war immer darauf vorbereitet gewesen, einer aufstrebenden Frau einen Platz in der Politik zuzugestehen (jedenfalls solange sie sich darauf beschränkte, Protokolle zu führen und Tee zuzubereiten), doch jetzt sah es ganz danach aus, als müßte man einen hohen Preis für diese großzügige Liberalität zahlen. Mrs. Naylor stellte sich nämlich als eine Macht heraus, mit der niemand gerechnet hatte. So ungern der Rat eingestand, daß sie ihre Posten intellektuellen Fähigkeiten und der Kraft ihrer Persönlichkeit verdankte, so bereitwillig wurden vielsagende Blicke gewechselt, wurde sich an die Nase getippt und wurden phallische Rückschlüsse gezogen. Und Gerüchte behaupteten sogar, daß sie sich auf eine geheimnisvolle Casting-Couch irgendeines Ratsmitglieds gelegt hätte.
    Mrs. Naylor kümmerte das alles nicht. Sie war sich der Vorbehalte kleiner Geister stets bewußt, doch ihre Gedanken waren auf weit höhere Dinge gerichtet. Einschließlich einem Sitz im Parlament und
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