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Baeuerin sucht Frau

Baeuerin sucht Frau

Titel: Baeuerin sucht Frau
Autoren: Rebecca Stein
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1

    »Diese widerlichen Viecher. Jedes Jahr wird es schlimmer mit denen«, brummt Erik neben mir. »Womit sollen wir denen noch beikommen?«
    Ich beuge mich hinab, begutachte eine weitere der kniehohen Kartoffelpflanzen, von denen wir in alle Richtungen umgeben sind. Auch hier dasselbe Bild. Gelblich rotorange Gelege haften an den Unterseiten der Blätter. In zwei bis drei Wochen werden die Larven schlüpfen.
    »Ja, das Spruzit können wir vergessen«, murmele ich in Gedanken an das letzte Jahr, als wir mit diesem Mittel nur einen kleinen Erfolg gegen die Schädlinge erzielten und erhebliche Ernteverluste hinnehmen mussten. »Die Käfer machen keinen Unterschied mehr zwischen dem synthetischen und dem natürlichen Pyretroid. Außerdem greift es die Nützlinge gleichermaßen an.«
    »Pyre... was?«
    Ich richte mich auf, schmunzele über Eriks Gesichtsausdruck, winke ab. »Nicht so wichtig.«
    Erik ist kein Chemiker, erst recht kein Biologe, lediglich Bauer. Mit mehr oder weniger Verständnis für die ökologischen Grundprinzipien, auf deren Anwendung ich bestehe. Er liest im Gegensatz zu mir auch keine Forschungsberichte. Aber der grauhaarige, beleibte Endfünfziger ist mir auf meinem Biohof dank seiner Erfahrung und Muskelkraft eine unersetzliche praktische Hilfe.
    »Und? Was machen wir?« Fragend sieht Erik mich an.
    »Die Bundesanstalt empfiehlt in einer Studie eine Kombination von NeemAzal und Novodor. Ich habe beides schon bestellt.«
    Erik unternimmt erst gar nicht den Versuch wissend drein zu schauen. Er kratzt sich bedächtig am Kopf. »Alles klar. Sag mir einfach, wann ich das Zeug ausfahren soll.«
    Wir stiefeln zurück zum Hof. Dabei erzähle ich Erik von der Studie, erkläre ihm, dass die beiden Pflanzenschutzmittel nicht miteinander im Tank vermischt, sondern nacheinander gespritzt werden. Er hört zu. Merkt er sich das alles? Ich bin nicht sicher, nehme mir vor, ihm die genauen Mischungsverhältnisse aufzuschreiben.
    Auf dem Hof stapft Erik mit den Worten davon: »Ich mach dann mal beim Zaun weiter. Bis später, Mädchen.«
    Ich rolle leicht mit den Augen. Seit unserer ersten Begegnung nennt Erik mich so. Mädchen. Alle meine Versuche ihm das abzugewöhnen, angefangen von der freundlichen Bitte bis hin zum strikten Verbot, perlen an ihm ab wie Regentropfen an einem Lotusblatt. Ich weiß, Erik tut das nicht um mich zu ärgern. Dazu ist er viel zu gutmütig. Er sieht einfach die zwanzig Jahre jüngere in mir, die Kleine, Zierliche. Dennoch habe ich einen Namen, Sylvia. Außerdem bin ich mit meinen ein Meter siebzig gar nicht so klein geraten, nur neben Erik doch recht winzig. Und zierlich bin ich auch nur im Vergleich zu ihm. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich den Spaß am Essen durch Kalorien zählen verderben. Das kann man an der einen oder anderen Rundung meines Körpers auch sehen.
    »Brauchst du noch was aus dem Baumarkt?«, rufe ich Erik nach, denn eine Bestellung dort steht sowieso auf meiner To-do-Liste. Ebenso wie der Anruf beim Futterlieferanten und bei der Bank. Letzteren schiebe ich schon seit Montag vor mir her. Heute ist Mittwoch. Es wird Zeit, dass ich das unangenehme Gespräch hinter mich bringe. Unangenehm, weil ich wieder einmal um die Erweiterung meines Dispos betteln muss. Die Sachbearbeiterin tut ständig so, als sei es ihr eigenes Geld, das sie mir vorschießen soll. Der Frau hat scheinbar niemand erklärt, dass Banken Geld damit verdienen, anderen Geld zu leihen. Außerdem habe ich mein Konto bisher noch immer wieder in die schwarzen Zahlen gebracht.
    Erik ist stehen geblieben, dreht sich um. »Na, wenn du schon fragst. Der Spaten ist hin. Brauch ´nen neuen. Eilt aber nicht. Hab mir Ottos geborgt.« Er trabt endgültig davon.
    Ich will gerade ins Haus gehen, als ein Landrover viel zu schnell auf den Hof fährt, abrupt bremst und in einer Staubwolke zum Stehen kommt.
    Die Wolke verzieht sich. Ich erkenne ein großes B auf dem Nummernschild und zumindest ein Teil der Szenerie erklärt sich mir. Städter beim Ökoshopping. Von denen verwechselt gerne mal einer meinen Hof mit einer Formel-1-Boxengasse. Aber man kann sich seine Kunden nicht aussuchen. Im Gegenteil. Ich muss froh sein, wenn sie extra bis in die Pleßnitzer Einöde fahren, um bei mir einzukaufen. Der Direktverkauf vom Hof ist fest eingeplanter Teil meines Umsatzes, da bleibt mir auch bei solchen Auftritten der Kundschaft keine andere Wahl als: Lächeln!
    Ich setze also mein Willkommensgesicht auf.
    Zwei Frauen
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