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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison
Autoren: Ake Edwardson
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Mein Vater rauchte und einer meiner Brüder hustete auf dem Rücksitz. Ich erinnere mich nicht mehr, welcher von ihnen. Mein Vater kurbelte das Fenster herunter und es regnete herein.
    Er brachte das Auto zum Stehen. Meinem kleinen Bruder war schlecht geworden, jetzt beugte er sich aus dem Auto, den Kopf neben der linken hinteren Radkappe.
    »Ist es besser?«, fragte mein Vater nach einer Weile.
    Mein Bruder antwortete nicht.
    Ich ging ein Stück vom Auto weg. Mein anderer Bruder folgte mir. Wir kletterten auf einen kleinen Hügel und ich wandte mich um und sah meinen Vater, der sich rauchend an das schwarze Auto lehnte. Der Kopf meines kleinen Bruders hing aus der Autotür. Ich sehe dieses Bild jeden Tag vor mir. Jeden Tag in meinem Leben wende ich mich da oben um.
     
    Wir fuhren weiter auf der Schotterstraße. Mein Vater fuhr siebzig Kilometer nach Osten. Es war Sonntag. Nur wenige andere Autos begegneten uns. Wir kamen in das Dorf, in dem wir früher gewohnt hatten. Ein Jahr zuvor waren wir weggezogen. Mein Vater ging zu einem Haus, das mir, als wir dort gelebt hatten, nie aufgefallen war, und er bat uns, draußen vor der Tür zu warten. Es gab dort einen Hund in einem Zwinger und wir gingen hin. Der Hund führte sich hinter den Gitterstäben wie wahnsinnig auf.
    »Er hat Hunger«, sagte mein jüngster Bruder.
    »In der Schüssel ist etwas zu fressen«, sagte mein anderer Bruder.
    »Er beruhigt sich schon«, sagte ich. Irgendwann hörte der Hund auf zu bellen und ich ging zum Haus, um zu fragen, ob wir eine Runde mit dem Hund gehen dürften. Mein Vater saß am Tisch und trank zusammen mit einem Mann und einer Frau.
    »Ich wollte fragen, ob wir mit dem Hund rausgehen dürfen.«
    »Der Hund ist ja wohl schon draußen«, sagte mein Vater und lachte.
    »Es kann sein, dass er nur schwer zu halten ist«, sagte der Mann, der meinem Vater gegenüber am Tisch saß. »Du siehst kräftig aus.«
    »Und ob er kräftig ist«, sagte mein Vater. »Nicht mehr lange und er schlägt mich im Armdrücken.«
    »Komm mal her«, sagte der Kumpel meines Vaters. Er war rot im Gesicht und seine Haare schienen direkt vom Kopf abzustehen. Er stützte den Ellenbogen auf den Tisch. »Jetzt wollen wir mal sehen, was du kannst.«
    Ich stellte mich ihm genau gegenüber und er packte meine Hand. Mein Vater lachte. Er zählte uns aus und der Mann mir gegenüber tat so, als hätte ich die Kraft eines Erwachsenen. Ich hoffte, dass er mich schnell gewinnen lassen würde, damit ich wieder zu meinen Brüdern gehen konnte und wir mit dem Hund loskonnten. Im Zimmer roch es nach Alkohol. Die Augen der Frau glänzten wie durchsichtig.
    »Du hast gewonnen«, sagte der Kumpel meines Vaters und ließ sich besiegen, indem er den Arm auf den Tisch legte. »Trotzdem ist es besser, wenn ihr nicht mit Zack spazieren geht. Er eignet sich am besten zur Treibjagd im Wald und bis dahin gehört er eingesperrt. Aber kräftig bist du.«
     
    Wir fuhren zurück. Mein kleiner Bruder schlief mit dem Kopf auf der Armlehne. Wir hielten an, und zwar an derselben Stelle wie zuvor. Ich ging auf den Hügel, während mein anderer Bruder hinter einem Busch pinkelte. Mein Vater war ausgestiegen, um zu rauchen, und durch die Autotür, die wir hinter uns offen gelassen hatten, sah ich den Kopf meines kleinen Bruders. Sein Kopf ruhte auf der Armlehne. Es war die letzte Stunde seines Lebens. Ich stand immer noch auf dem Hügel. Mein Vater schnippte die Zigarette in den Schotter und setzte sich ins Auto. Ich sah, wie er sich schräg nach vorn beugte und etwas aus dem Handschuhfach holte. Es war eine Flasche und er legte den Kopf zurück und trank. Als wir zurückkamen, roch es im Auto nach Alkohol.
    »Das hat ganz schön lange gedauert«, sagte er und wandte sich zu uns um.
    Er scherte aus und fuhr einen Hügel hinunter und es ging schneller. Das Auto schaukelte in der Senke und nahm Fahrt auf, bevor es wieder bergauf ging.
    Wir fuhren weiter. Ich sah, dass mein Vater die Flasche zwischen seinen Beinen hatte. Ich kann mich nicht erinnern, ob er getrunken hat. Nach einer Weile kam uns jemand entgegen, mein Vater lenkte nach links in den Schotter und der Autoreifen verlor die Haftung. Als er versuchte gegenzulenken, geriet der Wagen heftig ins Schleudern und schlug mit der linken Seite gegen einen Baum. Ich weiß nicht, ob mein kleiner Bruder aufwachte, ehe es passierte.
     
    Es gab einen Baum, den man gar nicht verpassen konnte. Der Junge wandte sich um, wie er es immer tat, wenn er
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