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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison
Autoren: Ake Edwardson
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Jahre.«
    »Ja.«
    »Das ist schon was.«
    »Tja …«
    »Weißt du, wie alt ich bin, Lennart?«
    »Nein … nicht so richtig.«
    »Fast dreißig.«
    »Oh.«
    »Nicht so alt wie deine Mama, aber nicht weit davon entfernt.«
    Der Junge sagte nichts.
    »Schon bald auf der falschen Seite der Dreißig«, sagte der Onkel. » Wrong side of thirty. «
    Der Junge sagte immer noch nichts, er schaute den Pferden nach, die hinter einem breiten Gebüsch verschwunden und vielleicht da hinten auf die Koppel gelaufen waren. Er konnte sie nicht mehr sehen, aber er glaubte sie zu hören.
    Der Onkel folgte seinem Blick.
    » Runaway. «
    »Was?«
    »Die Pferde sind weggelaufen. Runaway. Platz zehn der englischen Charts. Del Shannon.«
    »Ich glaube, sie sind auf der nächsten Weide«, meinte der Junge.
    »Weißt du, wer diese Woche auf Platz elf liegt?«
    »Nein.«
    » Hello Mary Lou von Ricky Nelson.«
    »Hm.«
    »Nichts Besonderes.«
    »Hm.«
    »Man müsste im Auto ein Radio haben. Manchmal spielen sie richtig gute Lieder.«
    »Ja.«
    Der Onkel schaute den Jungen an, zeigte hoch in den Himmel auf ein paar Wolken, die rasch vorüberzogen.
    »Es könnte Regen geben.«
    Der Junge antwortete nicht.
    »Du bist ein schweigsamer Bursche, Lennart. Das gefällt mir.«
    Er zündete sich wieder eine Zigarette an.
    »Eigentlich bin ich genauso, auch wenn ich jetzt die ganze Zeit rede. Nur Schwuchteln quatschen unentwegt.«
    Er ging zum Auto hinüber und setzte sich hinter das Steuer. Der Junge sah, wie er das Fach rechts vom Lenkrad öffnete und eine Flasche hervorholte.
    Er schraubte den Deckel ab und begegnete auf der Höhe des Flaschenhalses dem Blick des Jungen. Er ließ die Flasche sinken.
    »Du sagst doch nichts der Mama, was?«
    »Nee, natürlich nicht.«
    »Willst du auch etwas?«
    »Nee.«
    »Gut so, Lennart.«
    Der Junge stand immer noch am Zaun, als würde er darauf warten, dass die Pferde zurückkämen. Er hörte wieder das lange Pfeifen eines Zuges, das von irgendwoher hinter den Baumwipfeln kam. Es klingt, als würde jemand Hilfe brauchen, dachte er. Es klingt so … einsam. Der Zug da hinten im Wald ist einsam. So wie ich, obwohl er gar nicht so einsam war. Es können nicht alle in der Stadt leben, dachte er.
    Dort hinten, wo der Zug war, schwebte eine dunkelschwarze Wolke, die immer näher kam, sie sah aus wie ein Land auf der Karte, aber er konnte sich nicht erinnern, wie welches. Es war ein Land mit einer Küste.
    Jetzt spürte er ein paar Tropfen auf dem Gesicht.
    »Was habe ich gesagt«, hörte er den Onkel vom Auto her.
    Es fing an zu regnen. Es sieht aus, als stünde ein Schilfdickicht um das Auto herum, dachte der Junge. Er wollte da stehen bleiben, wo er stand. Dort zu stehen war, als würde man alles so machen, wie man es selbst wollte.
    Er blieb stehen, bis er die Stimme seines Onkels hörte. Sie war laut und drang durch die dampfende Luft zu ihm.
    »Von mir aus kannst du im Regen stehen bleiben, aber deine Mama wird das nicht gerade freuen. Komm, Junge, ich will dir etwas zeigen.«
    Der Junge ging zum Auto zurück, öffnete die Tür und wollte sich setzen.
    »Schüttele erst ein wenig das Wasser ab.«
    Er strich sich kurz über Rücken und Schultern, zu den Waden hinunter.
    »Gut so, Lennart. Steig jetzt ein«, sagte der Onkel und wies auf den Sitz.
    Wann hatte er den Onkel das letzte Mal gesehen? War es an Weihnachten gewesen? Damals hatte er noch kein Auto gehabt. Das hier war das erste Auto. Der Junge wusste nicht, ob es ihm gefiel. Es war groß und gleichzeitig klein. Die Luft drinnen war abgestanden, obwohl es ein neues Auto war.
    Jetzt war es fast dunkel darin. Der Tag ist mitten am Tag zur Nacht geworden, dachte er.
    Der Onkel hatte oben vor der Windschutzscheibe eine Lampe angemacht, doch der Junge fand nicht, dass man die brauchte. Das Licht war sowieso auf eine Art weit weg. Er brauchte keine Lampe.
    »Du weißt ja, dass ich nicht verheiratet bin, Lennart?«
    »Äh … ja.«
    »Weißt du, warum? Warum ich nicht verheiratet bin? Hat deine Mama mit dir nicht darüber geredet?«
    »Nee.«
    »Irgendwann hat sie sicher mal darüber geredet.«
    »Nee, ich glaub nicht.«
    »Ist auch egal«, sagte der Onkel und blies Rauch in die Luft, der das Licht von der Lampe an der Windschutzscheibe vernebelte.
    »Ich bin nicht verheiratet, weil ich nicht verheiratet sein will«, sagte er und hob die Flasche an, die zwischen seinen Beine steckte, er trank, sagte »Aaaaahhh« und schob die Flasche zurück, direkt vor den
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