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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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Kapitel 1
     
    Kitty McCloud, Romanschreiberin von einigem Ruf, hastete über den gepflasterten Hof ihres jüngst erworbenen Heims, der Burg Kissane. Sie redete sich ein, es nur deshalb zu tun, weil sie nach ihrem eben erst an Land gezogenen Ehemann, Kieran Sweeney, Ausschau halten wollte, der mit seinem Lastwagen unterwegs war, die Kühe zu holen, um mit ihnen das Bild des häuslichen Glücks zu vervollständigen und so einen Haushalt zu gestalten, der der uralten Tradition der Grafschaft Kerry in Irland entsprach.
    Warum sie tatsächlich so rastlos hin und her ging – einmal auf den Crohan-Berg zu, der im Nordwesten ihr Anwesen begrenzte, das andere Mal zur Burgstraße im Süden –, gestand sie sich selbst nicht ein, dabei peinigte sie in Wahrheit ihre Phantasie, versuchte sie doch, aus deren fruchtbaren Tiefen eine mögliche Eingebung heraufzuholen, wie sie einen total verkorksten Roman von George Eliot vernünftig umgestalten könne. Es ging um
Die verdammte Mühle am verdammten Floss
– die Hinzufügung von Kraftausdrücken untermalte das Ausmaß von Kittys Bestürzung. Ihr Schriftstellerdasein basierte auf ihrer bemerkenswerten Fähigkeit, sich über Romane aus dem allgemein anerkannten Literaturkanon herzumachen und sie von den fehlgeleiteten Bemühungen ihrer gefeierten Autoren zu befreien.
    Was sie sich jetzt erhoffte, war eine außergewöhnliche Erleuchtung ähnlich der, mit der sie Charlotte Brontës
Jane Eyre
umgeschrieben hatte. Dort war es Rochester, der sich in seiner Verzweiflung darüber, dass Jane es ablehnte, sich seinen ehebrecherischen Gelüsten zu fügen, vomDachboden stürzt, woraufhin Jane in ihrer Freundlichkeit und Güte die Geistesgestörte heilt, beide schließlich in stiller Zufriedenheit zusammenleben und ihrem Dasein mit Weben, Töpfern und Viehzucht Inhalt verleihen.
    Bislang hatte
Die Mühle
nichts Zündendes hergegeben, was ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und sie in zwingende Schreibwut versetzt hätte, ohne die sie nichts zustande brachte. Nur unter einem geradezu hysterischen Druck schöpfte sie aus dem Vollen, aber gegenwärtig war ihr Geist von einer Trägheit befallen, die schon den kleinsten Versuch einer schöpferischen Regung zunichtemachte, geschweige denn einen Vulkanausbruch zuließ, nach dem es sie so heftig verlangte.
    Wer von den beiden, Mrs. Eliot oder deren Heldin Maggie Tulliver, daran schuld war, dass sich in ihrem Kopf nichts bewegte, war noch nicht entschieden. (Nie wäre es Mrs. McCloud in den Sinn gekommen, dass das Grundübel bei ihr selbst liegen könnte. Trotz ihrer ansonsten bemerkenswerten Eingebungen lag ein solcher Gedanke jenseits ihres Vorstellungsvermögens.) Erwartungsvoll blickte sie hinüber zum Crohan-Berg, konnte aber nichts weiter als Heidekraut und Stechginster sehen, dazwischen, unregelmäßig im Gelände verstreut, längliche, längst verblichene Felsbrocken. Sie wandte sich wieder der Burgstraße zu und betete insgeheim, der Lastwagen möge nicht mehr lange auf sich warten lassen und sie mit seiner Ankunft von ihren Seelenqualen befreien.
    In gewisser Weise wurde ihr Gebet erhört. Tatsächlich näherte sich dem Anwesen ein Laster. Doch die ersehnten Kühe brachte er nicht. Wie es so oft bei Stoßgebeten geschieht, wurde ihr Wunsch nur halb und nicht zu ihrer vollsten Zufriedenheit erfüllt. Angetuckert kam, was man in Amerika einen Pickup nennen würde, ein Kleintransporter, der, wie sie wusste, ihrem amerikanischen NeffenAaron McCloud und seiner neuen Eroberung Lolly, ehemals McKeever, jetzt McCloud, gehörte. Im Grunde genommen war gegen deren Besuch nichts einzuwenden, vielleicht kamen sie, damit man gemeinsam die Kühe in Empfang nahm, vielleicht luden sie sich auch zum Abendessen ein oder führten etwas anderes Harmloses im Schilde.
    Leider hatte Kitty den Verdacht, dass der Besuch Komplikationen mit sich brachte, und zwar in Form eines Schweins, das sie auf der Ladefläche erspähte. Es war ein ihr nur allzu vertrautes Schwein und beim besten Willen nicht das, was sie jetzt hier gebrauchen konnte. Mit hochgereckter Schnauze stand es hinten im Transporter, schnüffelte in der frischen Burgluft herum und stemmte die gespaltenen Hufe fest auf den Boden, um bei dem Geholper und Gerumpel über die unebene Straße nicht den Halt zu verlieren.
    Zum ersten Mal, seit Kitty die Burg Kissane erworben hatte, bedauerte sie, dass diese nicht von einem Wassergraben umgeben war und ihr die dazugehörige Zugbrücke fehlte, ganz zu schweigen vom
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