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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison
Autoren: Ake Edwardson
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allein im Wald wären, dass es hinter den großen Bäumen keine anderen Menschen gäbe.
    Mein Vater rauchte hinter dem Auto. Wenn er den Rauch ausblies, war er wie Nebel. Ich spürte einige Regenpfützen dort, wo ich im Kofferraum des Kombi saß. Der Hintern tat mir langsam weh, aber ich sagte nichts.
    »Die warten«, sagte mein Vater, schlug die Klappe wieder zu und setzte sich hinters Lenkrad. Er hatte die Beleuchtung über dem Laderaum angemacht. Das Brautpaar lag neben mir auf dem Rücken auf einem Bett aus zwei zusammengefalteten Papierhandtüchern. Ihre Augen aus schwarzen Zuckerperlen verfolgten alle meine Bewegungen ebenso, wie mich die roten Augen meines Vaters im Rückspiegel verfolgten. Ich versuchte, die Torte über den Boden zu halten, indem ich sie auf einer Decke und auf meinen Knien balancierte. Es war unbequem und ich begann zu schwitzen. Ich würde niemals heiraten.
    Wir mussten noch drei- oder viermal anhalten, immer wenn ich es nicht schaffte, die Torte selbst zu reparieren. Mein Vater hatte einen Gaskocher mitgenommen und er wärmte den Zuckerguss auf, als er zu hart geworden war. Wir waren ein Wanderlager. Als wir weiterfuhren, schmerzten meine Glieder noch mehr.
    Dann ging der Wald in ein Feld über und man konnte die Lichter des Hofes durch die Bäume sehen. Wir fuhren die Auffahrt hinauf und hielten auf dem matschigen Weg vor dem Wohnhaus. Ich hörte die Kühe vom Feld hinter den Wirtschaftsgebäuden muhen.
    Mein Vater ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken und rieb sich dann die Augen. Er ging ins Haus und kam mit zwei Männern zurück.
    »Das war auch höchste Zeit«, sagte einer von ihnen.
    Mein Vater antwortete nicht. Er öffnete die Klappe und ich kroch heraus. Er beugte sich hinein und befestigte das Brautpaar auf der Spitze der hohen Torte.
    »Jetzt übernehmen wir«, sagte der größere der beiden Männer. Er hockte sich hin, nahm die Torte und zog sie an die Kante. Als er sie anhob, stieß das Brautpaar gegen die geöffnete Klappe. Der Turm begann in den Händen des Mannes zu schaukeln. Dann fiel er zu Boden und zerbrach. Die einzelnen Stücke sanken in den Matsch. Der Mann beugte sich herab und fuhrwerkte in den Tortenteilen herum. Als er sich mit dem Brautpaar in der Hand aufrichtete, trat mein Vater ihm ins Gesicht.
     
    Jetzt drehte das Schiff bei und er bekam die Sonne direkt ins Gesicht, aber das war nicht unangenehm. Der letzte Sonnenbrand, dachte er und legte den Kopf ein wenig in den Nacken. Dann sah er mit zusammengekniffenen Augen zu ihr hinüber, aber sie saß nicht mehr da.
    »Ist sie ausgestiegen?«
    »Hä?«
    »Die da gesessen hat. Drei Reihen weiter vorne. Ist sie an der Insel ausgestiegen?«
    »Keine Ahnung, von wem du redest.«
    »Hör mal, C-h-r-i-s-t-i-a-n. Ein paar Reihen weiter vorne hat ein Mädchen mit schwarzen Haaren gesessen und jetzt sitzt sie nicht mehr da.«
    Christian antwortete nicht. Er antwortete selten. Der kriegt nichts mit, dachte er.
    Er stellte sich hin und schaute zurück, konnte sie aber nicht sehen. Er setzte sich wieder und jetzt war die starke Wärme weg.
    »Sie ist nicht da«, sagte er. »Vielleicht geht sie auf die Landzunge.«
    »Und was machst du dann?«
    »Fahr zur Hölle.«
    »Willst du sie zu irgendwas einladen?«
    »Fahr zur Hölle, habe ich gesagt, C-h-r-i-s-t-i-a-n.«
    »Warum redest du so blöd?«
    »Was?«
    »Vergiss es. Schwarze Haare, oder was?«
    Sie fuhren jetzt in die Schären hinein und er konnte drei kleine Strände hintereinander sehen, aber niemanden, der badete. Kein Schwein badet. Mir doch egal. Verdammte Idioten.
    Es roch stark nach etwas, von dem er wusste, dass er den Namen kannte, doch jetzt wollte es nicht aus den Schubladen im Kopf kommen. Er wusste, wie es aussah, aber er kam nicht auf den Namen. Es war lila und wuchs flach auf der Erde. Seit seiner Kindheit hatte er nicht mehr daran gedacht.
    Hier zwischen den Schären hörte man die Möwen lauter als draußen in der Bucht und er sah, wie mehrere von ihnen dort hinten über dem Steg wie eine lichte Decke oder so etwas segelten.
    Sie standen auf und schoben sich gebückt zum Mittelgang vor. Sie gingen die Treppe hinunter und durch den Gang an Menschen vorbei, die immer noch auf ihren Stühlen saßen, als wäre es noch eine Stunde, bis das Schiff anlegte.
    Ich wünschte, ich wäre so cool, dachte er.
    Sonnenverbrannte Idioten, dachte er, und in dem Moment stand ein Typ auf, als er gerade vorbeigehen wollte, und er verlor fast das Gleichgewicht, ehe er stehen
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