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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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ich den Ausflug. Nach jedem fühlte ich mich schwächer.
    Nachdem ich zum vierten Mal in den Sessel gesunken war, schloss ich die Augen und zog mir die Decke bis zum Kinn. Ich spürte die grobe Baumwolle auf meiner Haut. Ich roch meinen eigenen Gestank. In meinem Kopf drehte sich alles, und auf der Innenseite der Lider sah ich winzige Sternenkonstellationen.
    Das Dröhnen der Presslufthämmer verklang zu einem Geräusch wie platzendes Popkorn. Ich sah Heuschrecken in einer Sommernacht. Hauchdünne Flügel. Rote Glubschaugen. Ich spürte Insekten durch meine Blutbahnen summen.
    Dann war ich mit Katy zusammen. Sie war klein, vielleicht drei oder vier, und wir lasen in einem Buch mit Kinderreimen. Ihre Haare waren weißblond. Die Sonne schien hindurch wie Mondlicht durch Dunst. Sie trug den Overall, den ich ihr auf einem Ausflug nach Nantucket gekauft hatte.
     
    Lass mich dir helfen, Liebling.
    Ich kann es allein.
    Natürlich kannst du es.
    Ich kenne die Buchstaben. Manchmal bringe ich sie nur einfach nicht zusammen.
    Das ist das Schwierige.
    Hector Protektor trug immer nur Grün;
    Hector Protektor musste zur Queen;
    Die Queen mochte ihn nicht, auch nicht der King;
    So musste Hector Protektor wieder nach Haus.
    Warum mochte sie ihn nicht, Mommy?
    Ich weiß es nicht.
    War er ein böser Mann?
    Ich glaube nicht.
    Wie hieß die Queen?
    Arabella.
    Katy kicherte.
    Wie hieß der König?
    Charlie Oliver.
    Wieder Kichern.
    Du sagst immer so lustige Namen, Mommy.
    Ich sehe dich gern lachen.
    Wie hieß Hector Protektor mit Nachnamen?
    Lucas.
    Vielleicht war er ja gar kein Protektor.
    Vielleicht nicht.
    Was dann, Mommy?
    Ein Kollektor?
    Wieder Kichern.
    Ein Erektor.
    Ein Defektor.
    Ein Ejektor.
    Ein Dissektor.
    Ein Inspektor.
     
    Als ich wieder aufwachte, stand ich im Bad und drückte Stirn und Handflächen gegen den Spiegel.
    Das Wort, das Molly gehört hatte? Nicht Inspektor? Nicht Specter?
    Hector.
    Hector Lucas.
    Hatte ich es mir wirklich verkehrt herum zusammengereimt? Kontrollierte in Wirklichkeit der Arzt den Staatsanwalt? Hatte Lucas den Überfall auf Molly und Carlos befohlen? In welcher Beziehung stand er zu Chupan Ya? Ich konnte es mir nicht erklären. Ließ er Nordstern umbringen, als der Reporter der Wahrheit zu nahe kam? Ließ er Patricia Eduardo umbringen? Würde Lucas mit Zuckerman und Jorge Serano ähnlich verfahren?
    Würde er versuchen, Galiano und Ryan umzubringen?
    Ich schwankte zum Nachtkästchen, griff nach meinem Handy.
    Weder Ryan noch Galiano meldeten sich.
    Ich wischte mir mit dem Armrücken Schweiß vom Gesicht.
    Wo waren sie? Zuckermans Klinik? Die Leichenhalle?
    Denk nach!
    Ich atmete tief ein, öffnete und schloss die Augen. Bilder wirbelten durcheinander. Sterne blitzten hinter meinen Lidern auf.
    Was tun?
    Ich atmete kräftig aus. Und noch einmal.
    Wenn Lucas wirklich gefährlich war, hatte weder Ryan noch Galiano die geringste Ahnung davon. Vielleicht hatte Zuckerman ihn bereits erreicht, und Lucas könnte denken, sie kämen, um ihn zu verhaften, und schießen.
    Ich zog Schuhe an, schnappte mir meine Handtasche und ging nach unten.
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis ich ein Taxi fand.
    »¿Dónde?«
    Wohin?
    Wohin waren Ryan und Galiano gefahren? Weder zum Paraíso noch zu Zuckermans Klinik. Beide wurden überwacht.
    Der Fahrer trommelte mit dem Finger aufs Lenkrad.
    Wo würde Lucas sein?
    Oder wollte ich Díaz? Vielleicht konnte Dr. Fereira es mir sagen.
    Ich zitterte am ganzen Leib und meine Zähne klapperten wie ein billiges Partyspielzeug.
    »¿Dónde, Señora?«
    Konzentrier dich!
    »Morge de Organismo Judicial.«
    »Zona tres?«
    »Oui.«
    Das war falsch. Warum?
    Während das Taxi durch die Stadt fuhr, betrachtete ich das Wechselspiel von Formen und Farben. Spruchbänder über den Straßen. Plakate auf Zäunen, Wänden, Reklametafeln. Ich versuchte erst gar nicht, sie zu lesen. Ich konnte es nicht. In meinem Kopf drehte sich alles wie in meiner Säuferzeit, als ich mit einem Fuß auf dem Boden eingeschlafen war, um in Kontakt mit dem Planeten zu bleiben.
    Am Grinsen des Fahrers und seinem Kavaliersstart beim Davonfahren merkte ich, dass ich zu viel bezahlt hatte.
    Egal.
    Ich schaute mich um. Das Viertel war so trist, wie ich es in Erinnerung hatte, der Friedhof kam mir größer und dunkler vor. Galianos Auto war nirgendwo zu sehen.
    Ich starrte die Leichenhalle an. Fereira. Ich musste Fereira sehen. Ich ging einen Kiesweg an der linken Seite des Gebäudes entlang. Meine Turnschuhe machten ein
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