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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Erfolgsrate ist bei Kindern höher.« Galiano schaute mir direkt in die Augen. »In eine Leichenhalle kommen nicht viele Kinder. Nordstern hatte einen ganzen Haufen von Artikeln über die Straßenkinder von Guatemala City.«
    »Nordstern dachte, dass Lucas Waisen umbrachte, um an Gewebe zu kommen?« Wut und Abscheu ließen meine Stimme gepresst klingen.
    »Wir haben noch keinen Beweis dafür gefunden, aber wir suchen weiter.«
    »O mein Gott.«
    Beide verstummten wir. Ein Rollwagen holperte über den Gang. Eine Roboterstimme rief einen Doktor Soundso aus.
    »Was ist mit Miguel Gutiérrez?«
    »Nur ein armer Irrer, der das Mädchen, das er wollte, nicht bekommen konnte.«
    »Claudia de la Alda.«
    Galiano nickte.
    »Das ist alles so traurig, nicht?«, sagte ich.
    Ohne Vorwarnung beugte er sich über mich und küsste mich. Seine Lippen waren weich und warm, seine Hakennase fühlte sich rau auf meiner Haut an.
    »Aber ich habe auch dich kennen gelernt, corazón.«

31
    Mitte Juni hatten wir die Arbeiten bei Chupan Ya abgeschlossen.
    Dreiundzwanzig Opfer waren den Familien zurückgegeben worden. Das Dorf hatte seine Toten mit großem Zeremoniell, vielen Tränen und einem enormen Gefühl der Erleichterung beerdigt. Clyde Snow war aus Oklahoma gekommen, und auch das gesamte FAFG-Team hatte teilgenommen. Großes Aufatmen nach harter Arbeit. Wir hatten uns für etwas engagiert, hatten in der Dunkelheit ein Streichholz entzündet.
    Aber es blieb auch viel Dunkelheit übrig. Ich dachte an Señora Eduardo und Señora de la Alda und an ihre Tochter.
    Ich dachte an Unterdrückung, Gier, Trauma. An anständige Menschen, die für immer verloren waren.
    Hector Lucas, Maria Zuckerman und Carlos Vicente waren tot. Jorge Serano und Miguel Angel Gutiérrez waren im Gefängnis.
    Mateo und Elena stellten einen umfassenden Bericht über Chupan Ya zusammen.
    Vielleicht würde irgendwann irgendjemand für diese Gräuel zur Verantwortung gezogen werden.
    General Effraín Ríos Montt war Präsident von 1982 bis 1983, als hunderte von Dörfern zerstört und tausende Menschen getötet wurden. Im Juni 2001 erhoben Opfer dieses Massakers Anklage wegen Völkermords gegen General Montt, der zurzeit Präsident des guatemaltekischen Kongresses ist. Die Klage sah sich beträchtlichen Hindernissen gegenüber. Es steht zu hoffen, dass wir einige beseitigen konnten.
    Zehn Uhr fünfzehn. Einundzwanzigster Juni. Der erste Tag des Sommers in der nördlichen Hemisphäre. Winter in Guatemala.
    Ich warf die letzten Toilettenartikel in meinen Koffer und sah mich im Zimmer um. Ein kleiner Webteppich, den ich auf dem Markt in Chichicastenango gekauft hatte, hing noch immer über dem Bett. Ich nahm ihn ab und betrachtete ihn noch einmal.
    Der Kabawil ist in der Maya-Textilkunst ein traditionelles Element. Kaba bedeutet zwei. Wil bedeutet Kopf. In der Mythologie kann der zweiköpfige Vogel Tag und Nacht, die Nähe und die Weite bedeuten. Er ist ein Symbol für Gegenwart und Zukunft, für lang- und kurzfristige Pläne. Er stellt die Beziehung von Mensch und Natur dar.
    Ich stopfte den Kabawil in meinen Koffer.
    Der Kabawil stellt außerdem die Beziehung zwischen Mann und Frau dar.
    Viele Nächte lang hatte ich über meine Beziehung zu Männern nachgedacht. Zu zwei Männern, um genau zu sein.
    Ryan hatte das Thema, das er an meinem Bett angeschnitten hatte, nie mehr aufgegriffen. Vielleicht hatte meine Genesung seine Ängste besänftigt. Vielleicht hatte ich die ganze Unterhaltung auch nur halluziniert. Aber er hatte einen gemeinsamen Urlaub vorgeschlagen.
    Galiano wollte ebenfalls mit mir wegfahren.
    Ich wusste, dass ich meinem Passfoto immer ähnlicher wurde. Ich brauchte dringend Urlaub.
    Ich wusste außerdem, dass ich in meinem Privatleben einem Weg folgte, der kein Ziel hatte, oder dass ich überhaupt keinem erkennbaren Weg folgte.
    Ich hatte eine Entscheidung getroffen.
    Erfahrung ist etwas Wertvolles. Sie versetzt uns in die Lage, Fehler zu erkennen, wenn wir sie wiederholen.
    Machte ich einen Fehler?
    Wenn ich es nicht versuchte, würde ich es nie herausfinden. Ich wollte endlich wieder so etwas wie Glück empfinden und machte den ersten Schritt. Aber würde ich auch Erfolg haben? Dieses Mal hatte meine Arbeit mich mehr als sonst mitgenommen, und ich würde Zeit brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
    Jedes Mal wenn ich an Señora Ch’i’p dachte, spürte ich eine große Leere.
    Das Telefon klingelte.
    »Ich bin in der Lobby.«
    Seine Stimme klang so
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