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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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charmant und perfekt, mit ein bisschen Rouge auf den Wangen, um realer zu wirken.
    „Kein Haar dort, wo es nicht sein sollte“, sagte ich bewundernd zu Aubrey, als wir zu seinem Wagen gingen, der in meiner Auffahrt stand. „Das würde Marcia ihren Haaren nie antun“, und ich versenkte die Hände in meinem flatternden Mopp.
    „Aber ich wollte es schon den ganzen Abend lang tun.“ Aubrey blieb stehen, drehte sich zu mir um und fuhr mit beiden Händen durch mein Haar. „Es ist wunderschön“, sagte er und hörte sich so gar nicht nach Pastor an.
    Himmel hilf! Der Kuss, der folgte, war lang, gründlich und erinnerte mich allzu lebhaft daran, wie lange es schon her war, dass ich jemanden im biblischen Sinne erkannt hatte. Aubrey ging es genauso, das merkte ich deutlich.
    Wir lösten uns voneinander. „Das hätte ich nicht tun dürfen“, sagte Aubrey betreten. „Es macht mich …“
    „Mich auch!“ Er lachte, womit die seltsame Stimmung verflog. Ich war froh, nicht das orange-weiße Kleid getragen zu haben, denn dann hätten seine Hände eben auf meinem nackten Rücken gelegen. Rasch kramte ich ein Thema hervor, über das ich plappern konnte, während ich ihn zum Auto begleitete. Dort lehnten wir uns an die Kühlerhaube, sprachen über die Feier, über die Grippe meines Stiefvaters, meine Kündigung und das Predigtseminar im Tagungshaus eines nahegelegenen Naturschutzparks, an dem er am kommenden Freitag und Samstag teilnehmen wollte.
    „Soll ich hinter dir her nach Hause fahren?“, erkundigte er sich, während er einstieg.
    „Vielleicht schlafe ich hier.“ Ich beugte mich durchs Fenster zu ihm hinunter, drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, lächelte ihm zu, und dann fuhr er los.
    Ich betrat mein Haus durch die Küchentür. Der Mond schien durch die offenen Vorhänge, also schaltete ich kein Licht an, als ich ins Schlafzimmer ging. Dort war es dunkel und ruhig, ein angenehmer Kontrast zu meinem hellen, geschäftigen Tag mit den vielen, vielen Gesprächen. Die Stille und das Dunkel wirkten besser als jede Schlaftablette. Im Bad knipste ich kurz das Licht an, um mir die Zähne zu putzen und mich auszuziehen. Ich streifte mir das rosa Nachthemd über, knipste das Licht wieder aus und tastete mich in der Dunkelheit bis zum Bett vor. Die Klimaanlage brummte leise vor sich hin, im Schrank miaute von Zeit zu Zeit ein Kätzchen. So schlief ich ein.
    Ich erwachte. Ich wusste sofort, wo ich war – in Janes Schlafzimmer. Automatisch schwang ich die Beine über die Bettkante, wollte ins Bad tappen. Aber dann wurde mir langsam, schlaftrunken, klar, dass ich gar nicht auf die Toilette musste.
    Die Katzen waren ruhig.
    Warum also war ich aufgewacht?
    Da hörte ich Bewegung irgendwo im Haus und sah einen Lichtstrahl durch den Flur gleiten. Jemand war im Haus. Ich biss mir die Innenseite meiner Wangen wund, um nicht loszuschreien.
    Auf dem Nachttisch neben Janes Bett stand ein Radiowecker, dessen erleuchtetes Ziffernblatt die Umrisse des Telefons kenntlich machte. Ich hob den Hörer ab, meine Finger wollten mir kaum gehorchen … dabei musste ich doch vorsichtig sein, so vorsichtig … jetzt nur kein Geräusch! Gottseidank war es ein Tastentelefon. Aus Instinkt wählte ich die Nummer, die ich so gut kannte und die mir schneller Hilfe bringen würde als der Notruf.
    „Hallo?“, nuschelte eine schläfrige Stimme.
    „Arthur“, hauchte ich. „Wach auf.“
    „Wer ist da?“
    „Roe. Ich bin gegenüber, in Janes Haus. Hier ist jemand.“
    „Ich bin gleich da. Ruhig bleiben! Versteck dich.“ Ganz, ganz sanft legte ich den Hörer auf, versuchte, die Hände unter Kontrolle zu halten. Oh Gott, lass sie jetzt nicht zittern, lass mich keinen Lärm machen.

Kapitel Zwölf
     
    Ich wusste, was mich verraten hatte: Ich hatte auf den Boden gestarrt, als vorhin auf der Party vom Schädel die Rede war. Jemand hatte nach genau so einer Reaktion Ausschau gehalten.
    Ich setzte meine Brille auf und dachte nach. Es gab zwei Möglichkeiten, sich hier zu verstecken: unterm Bett oder im Schrank bei den Katzen. Der Einbrecher war im Gästezimmer, nur einen kurzen Flur von mir entfernt. Dort konnte ich den Strahl seiner Taschenlampe umherhüpfen sehen, während er suchte, erneut nach dem verdammten Schädel suchte. Das beste Versteck bot der große Unterschrank im Bad, der für Schmutzwäsche. Ich war klein genug, mich dort hineinzuquetschen, da der Schrank fast quadratisch war, um sich dem Wäscheschrank darüber anzupassen.
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