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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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formvollendete Art und Weise von ihren Gästen, Mutter glamourös wie eh und je, John mit blitzenden weißen Zähnen und mindestens ebenso strahlendem weißem Haar. Die beiden wollten drei Wochen lang auf den Bahamas ihre Flitterwochen feiern.
    Der Hochzeitstag meiner Mutter.
     

     
    Für die erste Hochzeit in diesem unglückseligen Jahr, im Januar, hatte ich mich angezogen, als ginge es in die Schlacht. Ich hatte mein dichtes, krauses, braunes Haar zu einem wie ich hoffte raffinierten Zopf geflochten, hatte den BH angezogen, der meine sichtbaren Pluspunkte am besten zur Geltung brachte, und mich in ein funkelnagelneues gold-blaues Kleid mit Schulterpolstern geworfen. Dazu passten die hochhackigen Schuhe, die ich mir ursprünglich einmal für eine Verabredung mit Robin Crusoe gekauft hatte. Seufzend schlüpfte ich hinein. Robin hatte ich seit Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der Gedanke an ihn stimmte mich traurig, dabei war der Tag auch so schon niederschmetternd genug. Aber die Schuhe waren dufte, sie ließen mich glatt acht Zentimeter größer erscheinen. Um mich zu schminken, musste ich fast in meinen Badezimmerspiegel hineinkriechen, obwohl er hell beleuchtet war: Ohne meine Brille konnte ich mein Spiegelbild nur mit Mühe erkennen. Halb im Blindflug legte ich das Make-up auf, mit dem ich mich wohlfühlte und besserte dann nochmal kräftig nach. Meine runden Augen wurden noch runder, meine Wimpern lang und länger, und dann deckte ich alles mit meiner großen, ebenfalls runden Schildpattbrille ab.
    Vorsorglich steckte ich noch ein Taschentuch in meine Handtasche, ehe ich mich prüfend ein letztes Mal im Spiegel betrachtete. Sah ich auch feierlich aus? Feierlich und nicht im Geringsten mitgenommen? Der hohen Hacken wegen stieg ich vorsichtig die Treppe hinunter, suchte in der Küche meines Reihenhauses meine Schlüssel und zog meinen guten Mantel über, um zum wohl schrecklichsten aller denkbaren gesellschaftlichen Ereignisse aufzubrechen: der Hochzeit eines Exfreundes.
    Arthur Smith und ich kannten einander aus dem Club „Echte Morde“, dem wir beide angehört hatten, als er noch existierte. Eines der Clubmitglieder war ermordet worden, auf den Mord waren weitere gewaltsame Todesfälle gefolgt, und Arthur hatte bei den Ermittlungen geholfen. Danach waren wir ein paar Monate miteinander ausgegangen, und diese leidenschaftliche, stürmische Beziehung stellte meine erste und bislang einzige Erfahrung auf dem Gebiet der glühenden Romanzen dar. Zwischen uns hatte es heftig geknistert, gemeinsam hatten wir gelodert und in Flammen gestanden, waren zu etwas ganz anderem geworden als einer fast dreißig Jahre alten Bibliothekarin und einem geschiedenen Polizisten.
    So rasch, wie das Feuer zwischen uns entflammt war, war es auch wieder erloschen, nur leider auf seiner Seite zuerst. Als ich mitbekam, welche Botschaft von Arthur ausging, als ich immer deutlicher spürte, dass er die Beziehung nur aufrechterhielt, weil er noch nicht wusste, wie er sie ohne große Szenen beenden sollte, hatte ich mit einer ungeheuren Anstrengung all meine Würde zusammengerafft und selbst Schluss gemacht, ohne dass es zu der gefürchteten Szene gekommen wäre. Das war mir zugegebenermaßen nur unter Aufbringung all meiner emotionalen Kraft und Willensstärke gelungen. Anschließend hatte ich sechs Monate lang jede Nacht mein Kissen nassgeweint.
    Als ich die Hochzeitsankündigung im Sentinel gelesen hatte, ging es mir gerade wieder etwas besser. Ich hatte es geschafft, fast eine Woche lang nicht mehr an der Polizeiwache vorbeizufahren.
    Die Bekanntmachung stürzte mich in ein Chaos heftigster Gefühle. Ich wurde blass vor Neid, ich sah rot vor Zorn, der Blues packte mich und stürzte mich in eine tiefe Depression. Ich würde mein Leben lang nur Gast auf den Hochzeiten anderer sein, nie würde ich selbst heiraten. Vielleicht würde es mir ja wenigstens gelingen, am Wochenende der Hochzeit nicht in der Stadt zu sein, um gar nicht erst in die Versuchung zu geraten, an der Kirche vorbeizufahren.
    Dann hatte ich die Einladung in meinem Briefkasten gefunden.
    Lynn Liggett, Arthurs Verlobte und Kollegin (sie war auch bei der Polizei), hatte mir den Fehdehandschuh hingeworfen. Anders konnte ich diese Einladung nicht verstehen.
    Jetzt hatte ich ihn in meinem blau-goldenen Kleid und mit meiner schicken Frisur aufgenommen. Vorher hatte ich in dem Laden, in dem die Hochzeitsliste auslag, einen unpersönlichen und sehr teuren Teller in dem von
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