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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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Sewells Hände ruhig, und er warf mir unter den buschigen Brauen hindurch einen extrem scharfen Blick zu.
    „Miss Teagarden!“ Verschwunden war der Charme des distinguierten Herrn vom Lande. „Miss Engles hat Ihnen alles hinterlassen.“
     

     
    „Sie hat Ihnen alles hinterlassen.“ Diese Worte gehörten wahrscheinlich zu den erregendsten, die unsere Sprache zu bieten hatte, dennoch konnte ich mit knapper Not verhindern, dass mir meine Gesichtszüge entgleisten. Aber meine Hände, die ich bisher locker im Schoß gefaltet hatte, verkrampften sich kurz, und ich musste tief durchatmen. „Was ist alles?“, fragte ich.
    Mit „alles“, informierte mich Bubba Sewell, war Janes Haus gemeint, dessen gesamter Inhalt, und dazu noch ein Großteil von Janes Barvermögen. Janes Auto und fünftausend Dollar hatten ihr Vetter Parnell und dessen Frau Leah geerbt, unter der Bedingung, dass die beiden die Katze Madeleine bei sich aufnahmen. Ich war erleichtert, hatte ich doch noch nie ein Haustier besessen und hätte nicht gewusst, wie ich mit der Katze umgehen sollte.
    Was galt es jetzt zu sagen oder zu tun? Überrascht, wie ich war, wollte mir um alles in der Welt nicht einfallen, was unter diesen Umständen angemessen sein mochte. Ich hatte ein wenig um Jane getrauert, als ich von ihrem Tod erfuhr, genau wie am Vormittag an ihrem Grab. Wahrscheinlich würde ich schon in wenigen Minuten nichts als reine Glückseligkeit empfinden, denn meine Geldsorgen hatten mich schon bedrückt. Aber im Augenblick war ich einfach nur verdattert.
    „Warum um alles in der Welt hat sie das getan?“, fragte ich. „Können Sie es mir erklären?“
    „Jane kam letztes Jahr zu mir, um ihre letztwillige Verfügung zu machen. Damals hatte es in dem Club, dem Sie beide angehörten, all die schrecklichen Probleme gegeben. Jane sagte, wenn sie Ihnen ihr Erbe vermache, sei dafür gesorgt, dass jemand, den sie gekannt hatte, immer an sie denken würde. Das wollte sie wohl. Aber sie mochte ihren Namen nicht an einem Gebäude stehen haben oder etwas in der Art. Sie war keine …“ Der Jurist suchte nach dem richtigen Wort. „Sie war keine Philanthropin. Keine Person, die nach öffentlichem Ansehen strebte. Sie wollte ihr Geld einer Einzelperson hinterlassen, keiner guten Sache, und ich glaube, mit Parnell und Leah verstand sie sich nicht besonders gut. Kennen Sie die beiden?“
    Ja, ich kannte Janes Vetter und dessen Frau, und das verdankte ich der Tatsache, dass ich einer Spezies angehörte, die bei uns im Süden eigentlich gar nicht vorgesehen ist: Ich war eine Kirchenhüpferin. Womit ich sagen will, dass ich keiner bestimmten Kirche angehörte, sondern mal hier, mal da den Sonntag heiligte. Parnell und Leah hatte ich bei einem Gottesdienst kennengelernt. In welcher Kirche, hätte ich in jenem Moment nicht mit Bestimmtheit sagen können, auch wenn ich mich vage daran zu erinnern meinte, dass es sich um eins von Lawrencetons eher fundamentalistischen Gotteshäusern gehandelt hatte. Als man mir die beiden vorgestellt hatte, hatte ich mich erkundigt, ob sie mit Jane verwandt seien, und Parnell hatte mit nicht eben viel Wärme zugegeben, ihr Cousin zu sein. Leah hatte mich die ganze Zeit nur angestarrt und insgesamt vielleicht drei Worte zur Unterhaltung beigesteuert.
    „Ich bin ihnen einmal begegnet“, erklärte ich dem Anwalt.
    „Sie sind alt und haben keine Kinder“, teilte mir Sewell mit. „Jane hatte das Gefühl, die beiden würden sie nicht lange überleben und ihr Geld dann höchstwahrscheinlich ihrer Kirche hinterlassen, was Jane nicht wollte. Also sind Sie ihr eingefallen, und Ihnen hat sie alles vermacht.“
    Das war ein ziemlicher Brocken, an dem ich erst einmal eine Weile allein knabbern musste. Als ich aufsah, musste ich feststellen, dass mich der Anwalt erwartungsvoll und mit einer gewissen, seltsam unpersönlichen Missbilligung im Blick betrachtete. Wahrscheinlich hätte er es richtiger gefunden, wenn Jane ihr Geld der Krebsforschung, dem Tierschutz oder dem Waisenhaus hinterlassen hätte.
    „Wie hoch sind die Ersparnisse auf dem Bankkonto?“, fragte ich.
    „Auf dem Girokonto befinden sich um die dreitausend Dollar“, sagte Sewell. „Den letzten Bankauszug habe ich hier. Natürlich stehen noch ein paar Rechnungen vom letzten Krankenhausaufenthalt aus, aber die übernimmt zum großen Teil die Versicherung.“
    Dreitausend! Das war schön. Dann konnte ich mein Auto abbezahlen, was meine monatlichen Belastungen auf angenehme Art
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