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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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auch nach meinem Beruf. Woraufhin ich mich verpflichtet fühlte, sämtlichen Anwesenden einschließlich meiner Mutter zu verkünden, dass ich den gerade an den Nagel gehängt hatte.
    Lange würde meine Mutter das mit dem milden, mäßig interessierten Lächeln in ihrem Gesicht nicht mehr durchhalten.
    Aubrey hatte sein Abendbrot inzwischen auch beendet und nahm, wenn auch immer noch leicht gedämpft, an der allgemeinen Unterhaltung teil. Wir würden uns wohl bald über mein Interesse an Mordfällen unterhalten und klären müssen, warum ihm schlecht wurde, wenn ich darüber sprach. Es hatte solchen Spaß gemacht, mit John den spannenden Fall Oakes zu erörtern. Noch dazu war der Mord während der Regentschaft des Herzogs und der Herzogin von Windsor verübt worden! Am besten knöpfte ich mir meinen neuen Stiefvater irgendwann einmal allein vor, um in Ruhe gemeinsam den Fall noch einmal zu zerlegen.
    Die Stimme meiner Mutter dicht an meinem Ohr holte mich schmerzlich ins Hier und Jetzt zurück. „Komm kurz mal mit ins Bad!“, befahl sie.
    Gehorsam entschuldigte ich mich bei den anderen, um ihr ins Haus zu folgen. Es war mein erster Besuch dort, aber ich konnte nur einen flüchtigen Eindruck von makelloser Gepflegtheit und hellen Farben einfangen, ehe ich resolut ins Gästebad verschleppt wurde. Ein gemeinsamer Toilettenbesuch versetzte mich so zurück in Teenagertage, dass ich meine Mutter fast schon fragen wollte, ob sie auch ein Date für den Schulabschlussball hätte. Aber die Witze vergingen mir, als sie die Tür verriegelte, sich mir mit strenger Miene zuwandte und fragte:
    „Was, junge Frau, tut ein Schädel in meiner Deckentasche?“
     

     
    Wieder stand ich mit halb offenem Mund da – gefühlt das zehnte Mal an diesem Tag. Dann riss ich mich zusammen.
    „Wer um alles in der Welt sucht bei diesem Wetter nach einer Wolldecke?“
    „Eine Frau, deren Mann vor Kälte zittert, weil er Grippe hat.“ Mutter sprach mit zusammengebissenen Zähnen. „Wag es bloß nicht abzulenken.“
    „Ich habe ihn gefunden“, sagte ich.
    „Na toll. Du findest einen menschlichen Schädel und beschließt, ihn in der Deckentasche im Haus deiner Mutter unterzubringen, die gerade nicht in der Stadt weilt. Ein sehr vernünftiges Vorgehen, klingt vollkommen logisch.“
    Ich würde ihr die Wahrheit sagen müssen. Aber ganz gewiss nicht bei verriegelter Tür in Marcia Rideouts Badezimmer.
    „Mom, ich schwöre dir: Ich komme morgen vorbei und erkläre dir alles.“
    „Ja, und die Uhrzeit ist dir gleich, du brauchst ja nicht mehr zur Arbeit zu gehen.“ Mutters Stimme troff vor Liebenswürdigkeit. „Da geht es mir anders, ich muss mir meinen Lebensunterhalt nämlich verdienen. Ich erwarte dich morgen um neunzehn Uhr, und wehe, du hast keine gute Erklärung parat – und noch eins, wenn wir schon einmal dabei sind, einander Drastisches an den Kopf zu werfen, und das sage ich dir jetzt, obwohl ich dir, seit du erwachsen bist, in Herzensdingen keine Ratschläge mehr gegeben habe und auch sonst nicht. Schlaf nicht mit dem Priester meines Mannes. Das wäre sehr unangenehm für John.“
    „Für John? Es wäre unangenehm für John?“ Ich musste mich zwingen, mich zusammenzureißen. Einmal tief Luft holen, ein schneller Blick in den glänzend sauberen Spiegel, und ich rückte mir die Brille auf der Nase zurecht. „Mutter, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du dich in all den Jahren mit Anmerkungen zu meinem Privat- und Liebesleben zurückgehalten hast. Außer, um mich darauf hinzuweisen, du wünschtest, ich hätte von beidem mehr.“
    Die Blicke, die wir einander im Spiegel zuwarfen, waren boshaft. Dann versuchte ich mich an einem Lächeln. Sie lächelte zurück. Beides fiel ziemlich dünn aus, hielt aber.
    „Gut“, nickte Mutter abschließend. „Dann sehen wir uns also morgen Abend.“
    „Abgemacht“, sagte ich.
    Auf der Sonnenterrasse ging es inzwischen um die Knochen, die man am Ende unserer Straße gefunden hatte. Als wir aus dem Haus traten, erzählte Carey gerade, die Polizei sei bei ihr gewesen, um sie nach ihrem Ehemann zu befragen. Sie hatte sagen sollen, ob sie sich noch an etwas erinnerte, anhand dessen man die Gebeine als die Mikes identifizieren könnte. „Der Schuft hat mich verlassen, den hat keiner umgebracht, und das habe ich der Polizei auch gesagt. Nachdem er nicht zurückkam, dachte ich noch wochenlang, gleich würde er mit diesen gottverdammten Windeln durch die Hintertür spaziert kommen!
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