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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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Wenn ich mich im Schlafzimmerschrank versteckte, hörte der Einbrecher möglicherweise die Katzen und kam nachsehen. Aber jetzt konnte ich es noch nicht wagen, ins Bad zu schlüpfen. Der Lichtschein im Gästezimmer hüpfte zu unberechenbar umher.
    Fast wie als Antwort auf meine Befürchtungen glitt das Licht aus dem Gästezimmer in den kleinen Flur und von dort aus durch den Torbogen ins Wohnzimmer. Als er ganz dorthin entschwunden war, schlüpfte ich lautlos aus dem Bett, setzte die Füße vorsichtig auf den Boden …
    …. und landete direkt auf Madeleines Schwanz. Die Katze jaulte, ich stieß einen Schrei aus, aus dem Wohnzimmer war ein erstaunter Ausruf zu hören. Donnernde Schritte, ein Schatten in der Tür, der innehielt, vielleicht nach dem Lichtschalter suchte … Ich sprang. Ich traf jemanden direkt an der Brust, schlang den rechten Arm um einen kräftigen Nacken, packte mit der Linken eine Handvoll kurzes Haar und zog mit aller Kraft. Ich hatte einmal einen Selbstverteidigungskurs besucht – jetzt fiel mir wieder ein, was wir dort gelernt hatten. Ich riss den Mund auf und fing aus voller Kehle zu schreien an.
    Etwas versetzte mir einen furchtbaren Schlag auf den Rücken, aber ich ließ mich nicht beirren, zog noch fester an den Haaren und verstärkte den Würgegriff um den Hals meines Widersachers. „Aufhören!“, schnaufte eine tiefe Stimme. ‚Aufhören!“ Wieder landeten rücksichtslose Schläge auf meinem Rücken und den Beinen. Bei all dem Hin und Her schüttelte er mich fast ab, auch musste ich Luft holen, um weiterschreien zu können. Ich hatte gerade den Mund weit aufgerissen, als die Lichter angingen.
    Mein Widersacher fuhr herum, wollte sehen, wer das Licht eingeschaltet hatte. Dabei schüttelte er mich endgültig ab. Ich landete nicht ganz auf meinen Füßen und stolperte gegen den Bettpfosten, was mir zusätzliche Prellungen einbrachte.
    An der Wand im Flur lehnte keuchend Lynn Liggett-Smith, in der Hand eine Pistole, die sie auf Torrance Rideout richtete, der nur mit einer Taschenlampe bewaffnet war. Wäre die Taschenlampe ein Messer gewesen, dann hätte ich jetzt aus Dutzenden von Wunden geblutet. So hatte ich das Gefühl, Lees gesammelte Armee wäre mir über den Rücken marschiert. Keuchend hielt ich den Bettpfosten umklammert. Wo war Arthur?
    Nach einem Blick auf Lynn in ihrem kraftlosen Zustand, mit dem riesigen Bauch, drehte sich Torrance wieder zu mir um.
    „Sie müssen es mir sagen!“, sagte er verzagt, als wäre Lynn gar nicht vorhanden. „Sie müssen mir verraten, wo der Schädel ist!“
    „Beide Hände an die Wand!“, befahl Lynn resolut, wenn auch mit schwacher Stimme. „Ich bin Polizistin, und ich werde von der Waffe Gebrauch machen.“
    „Sie sind im neunten Monat schwanger und fallen gleich um“, warf ihr Torrance über die Schulter hinweg zu. „Wo ist der Schädel?“ Er sah mich an, das breite, offene Gesicht von Falten durchzogen, die ich bisher nicht gesehen hatte. Aus seiner Kopfhaut troff Blut auf das weiße Hemd. Ich hatte bestimmt einen ganzen Quadratzentimeter Haut entfernt.
    Lynn schoss in die Decke.
    „Hände an die Wand, Sie Schuft“, sagte sie kalt.
    Torrance legte die Hände an die Wand.
    Dabei hätte Lynn auch mich treffen können, wenn sie wirklich auf ihn geschossen hätte, aber das schien ihm nicht klar zu sein. Rasch rettete ich mich auf die andere Seite des Bettes, falls es ihm doch noch einfiel. Aber so konnte ich Lynn nicht sehen. Dieses Schlafzimmer war zu eng. Torrance befand sich zwischen mir und der Tür, was mir nicht gefiel.
    „Roe“, sagte Lynn vom Flur her langsam und vernehmlich. „Taste ihn ab und sieh nach, ob er einen Revolver dabeihat. Oder ein Messer.“ Sie klang, als hätte sie Schmerzen.
    Es war mir zuwider, Torrance nahe kommen zu müssen. Empfand er ausreichend Respekt vor Lynns Schießeisen? War auch ihm die Anspannung in ihrer Stimme aufgefallen? Einen Augenblick lang wünschte ich, sie hätte ihn einfach erschossen.
    Wie man jemanden auf Waffen durchsuchte, wusste ich nur aus dem Fernsehen, und ich wollte Torrance nur ungern anfassen, aber ich biss die Zähne zusammen und ließ die Hände an seinem Körper entlanggleiten.
    „Nur Wechselgeld in der Hosentasche.“ Ich räusperte mich -meine Schreie hatten nicht nur Torrances Ohren weh getan.
    „Gut.“ Lynn nickte langsam. „Hier sind die Handschellen.“
    Als ich zu ihr hinsah, war ich bestürzt. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, ich konnte Angst darin erkennen,
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