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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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gebracht. Ich habe mir Janes Haus als letztes vorgenommen, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass sie etwas damit zu tun hatte.“
    „Ach, Torrance“, sagte Marcia bedauernd. „Ich wünschte, du hättest es mir gesagt. Dann bist du in all die Häuser eingebrochen?“
    „Ich habe den Kopf gesucht“, sagte er leise. „Ich wusste, dass ihn sich jemand aus dieser Gegend geholt haben muss, aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass es Jane sein könnte. Es musste jemand sein, der gesehen hatte, wie ich ihn begrub. Aber doch nicht Jane, nicht diese bezaubernde alte Dame. Wenn sie gesehen hätte, wie ich ihn beerdigte, dann hätte sie doch bestimmt die Polizei verständigt – und ich musste warten.“ Torrance sprach hektisch, er schien gar nicht mehr aufhören zu können. „So lange musste ich zwischen einem Haus und dem nächsten warten, weil die Leute nach jedem Einbruch vorsichtig waren …“
    „Du hast sogar einen Einbruch in unserem eigenen Haus vorgetäuscht“, staunte seine Frau.
    Ich wagte einen behutsamen Blick unter das Nachthemd, was ich umgehend bereute.
    „Lynn?“, sagte ich stockend. „Ich glaube, ich kann den Kopf des Kindes sehen.“
    Lynn nickte. Ihre Augen gingen auf und richteten sich aufmerksam auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Ihr Atem ging keuchend, sie hatte den Rhythmus verloren. „Reiß dich zusammen!“, befahl ich streng. Lynn war die einzige, die wusste, was hier abging! Sie schien meine Aufforderung allerdings als mitfühlenden Rat zu verstehen und quetschte meine Hand, bis ich am liebsten wieder geschrien hätte.
    Plötzlich hielt sie die Luft an. Ihr ganzer Körper spannte sich zu einem Bogen.
    Ich riskierte einen weiteren Blick unter das Nachthemd.
    „Ach du meine Güte!“ Das war um einiges schlimmer als Madeleine, der Katze, zuzusehen. Am liebsten wäre ich schreiend aus dem Haus gelaufen, um nie wieder zurückzukommen, aber ich schaffte es, mich zusammenzureißen, wie ich es auch Lynn befohlen hatte. Ich schüttelte Lynns Hand ab und kauerte mich zwischen ihre Beine. Viel Platz gab es dort nicht, gut also, dass ich so klein war.
    Lynn bäumte sich wieder auf.
    „Gut, Lynn“, sagte ich aufmunternd. „Es kommt. Ich werde es auffangen.“
    Lynn schien sich einen Augenblick lang auszuruhen.
    „Wessen Schädel?“, fragte ich Torrance. Marcia war zu Boden gesunken. Die beiden saßen Knie an Knie und hielten Händchen.
    „Ach ja, der Schädel.“ Torrance seufzte, als hätte er jedes Interesse verloren. „Der Schädel ist Mark. Mark Kaplan. Der Bursche, der unsere Wohnung gemietet hatte.“
    Lynn hatte sich wieder gefangen und presste. Ihre Augen wirkten verschleiert, als sei sie nicht ganz bei uns; ich stand Todesängste aus. Zaghaft legte ich meine Hände dorthin, wo sie möglicherweise nützlich sein konnten. „Lynn? Ich sehe jetzt mehr vom Kopf“, sagte ich zu ihr.
    Die Frau war erstaunlich: Sie lächelte und sammelte Kraft, um erneut zu pressen.
    „Gut, den Kopf habe ich jetzt“, sagte ich mit zittriger Stimme. Dabei hätte ich so gern tapfer geklungen, ihr vermittelt, dass ich vollstes Vertrauen in sie und mich setzte, aber es wollte mir nicht gelingen. Konnte sich das Baby das Genick brechen, wenn ich jetzt seinen Kopf fallen ließ? „Herr Jesus, schick Hilfe, ich schaff das hier nicht! Ich habe doch keine Ahnung!“, betete ich innerlich.
    Lynn presste weiter.
    „Da sind die Schultern“, wisperte ich, das kleine, blutüberströmte, verletzliche Ding in Händen. „Noch einmal pressen, dann dürfte es vorbei sein!“ Was sagte ich denn da, ich hatte doch keinen blassen Schimmer! Aber Lynn schienen meine Worte gut zu tun, sie holte tief Luft und nahm noch einmal all ihre Kraft zusammen. Ich wünschte aus ganzem Herzen, sie möge eine Pause einlegen, damit auch mir eine vergönnt war, aber ich hatte aus schierer Unerfahrenheit die Wahrheit gesagt. Lynn presste, als ginge es um die Goldmedaille im Gebären, das kleine, glitschige Wesen kam aus ihr herausgeschossen wie ein Fußball, und ich fing es auf.
    „Was?“, hauchte Lynn erschöpft.
    Ich verstand sie erst nicht, war ich doch viel zu sehr mit mir und meiner Aufgabe beschäftigt. Ich musste jetzt irgendwas tun, oder? Ich musste dafür sorgen, dass das Baby schrie. War das nicht sehr wichtig?
    „Halten Sie es mit dem Kopf nach unten und geben Sie ihm einen Klaps aufs Hinterteil“, riet Marcia. „Das machen sie im Fernsehen immer.“
    Voller Angst tat ich es. Woraufhin das
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