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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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älter als Carey. Immerhin hatte er einen Sohn im frühen Erwachsenenalter … den verlorenen Sohn …
    „Ich habe auf den Bahamas versucht, Zeit herauszuschinden, um nachzusehen, ob Sir Harry Oakes Haus noch steht“, flüsterte mir John ins Ohr.
    Der Fall Oakes … nach kurzem Grübeln wusste ich wieder, wovon John sprach.
    „Alfred de Marigny, Freispruch, richtig?“
    „Ja.“ John nickte begeistert. Es war immer schön, mit jemandem zu reden, der dasselbe Steckenpferd hatte.
    „Ist das ein historischer Ort auf den Inseln?“, erkundigte sich Aubrey, der rechts neben mir saß.
    „Wie man’s nimmt“, erklärte ich. „Das Haus war Schauplatz eines Mordes, der ziemliche Berühmtheit erlangte.“ Ich wandte mich wieder an John. „Ich fand die Sache mit den Federn ja immer das Seltsamste an diesem Fall.“
    John winkte ab. „Für die gibt es eine einfache Erklärung. Ein Ventilator hat die Federn aus einem aufgerissenen Kissen durch die Gegend geblasen.“
    „Nach dem Feuer?“
    „Ja, so muss es wohl gewesen sein“, sagte John nachdenklich. „Auf dem Bild sahen die Federn jedenfalls weiß aus – das Feuer hätte sie doch aber angesengt und geschwärzt.“
    „Federn?“, erkundigte sich Aubrey.
    „Hör zu, ich erkläre es dir“, sagte ich enthusiastisch. „Man fand die teilweise verkohlte Leiche Sir Harry Oakes’ über und über mit Federn bedeckt auf einem Bett. Die Behörden erhoben Anklage gegen seinen Schwiegersohn, Alfred de Marigny, der aber im Prozess freigesprochen werden musste, was wir im Wesentlichen den beklagenswert schlampigen Ermittlungen der örtlichen Polizei zuzuschreiben haben.“
    Aubrey wirkte ein wenig – ja, wie eigentlich? Ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht definieren.
    Während meine Mutter, die links von John saß, sich um eine Unterhaltung mit den ängstlichen McMans bemühte, was ihr leider nur sporadisch gelang, kauten ihr Ehemann und ich höchst zufrieden den Mord an Sir Harry durch.
    Als ich mich zwischendurch kurz zu Aubrey umwandte, weil ich mitbekommen wollte, ob er den wichtigen Punkt mit dem blutigen Handabdruck auf dem Wandschirm im Schlafzimmer mitbekommen hatte, den ich gerade ins Gespräch gebracht hatte, musste ich feststellen, dass mein Date die Rippchen auf seinem Teller abgelegt hatte und aussah, als sei ihm nicht ganz wohl.
    „Was ist?“, fragte ich besorgt.
    „Würde es euch etwas ausmachen, nicht über bluttriefende Handabdrücke zu reden, solange ich meine Rippchen esse, die gerade noch so lecker aussahen?“ Aubrey bemühte sich um einen scherzhaften Ton, es war ihm aber deutlich anzusehen, dass ich ihn gerade unglücklich machte.
    Mein Gott, wie hatte ich so gefühllos sein können! Der Fehler lag ganz und gar bei mir, und das wusste ich auch. Nur führte das leider dazu, dass mich Aubrey gegenüber eine gewisse Ungeduld beschlich, gleichzeitig war ich sehr wütend auf mich selbst – ein Durcheinander an Gefühlen, weshalb es etwas länger dauerte, bis ich angemessen reumütige Worte gefunden hatte.
    „Es tut mir leid, Aubrey!“ Ich warf John aus den Augenwinkeln einen verstohlenen Blick zu: Er wirkte ehrlich erschüttert. Meine Mutter hatte die Augen geschlossen und schüttelte stumm den Kopf, als hätten ihre beiden Kinder ihre Geduld gerade auf eine allzu harte Probe gestellt und das noch dazu in aller Öffentlichkeit. Aber sie fing sich rasch und warf gekonnt ein neues, alle brennend interessierendes Thema in die Runde: die Rivalität unter den Telefongesellschaften unserer Gegend.
    Mein Fehltritt hatte mich in so düstere Stimmung versetzt, dass ich nichts zur Unterhaltung beisteuerte, noch nicht einmal die Tatsache, dass meine Telefongesellschaft es schaffte, mein Telefon in zwei Häusern gleichzeitig klingeln zu lassen. Arthur hatte, berichtete er, seine alte Telefonnummer mit umziehen dürfen – wie Lynn es wohl fand, ihre aufgegeben zu haben? Aber Lynn sah aus, als interessiere sie das alles gerade überhaupt nicht. Die beiden verabschiedeten sich bald, nachdem Arthur aufgegessen hatte, bedankten sich bei Marcia und Torrance für das leckere Essen und die angenehme Gesellschaft, und begaben sich auf den Heimweg.
    „Die junge Frau sah gar nicht gut aus“, meinte Torrance, als sämtliche Anekdoten aus dem Telefonkrieg erschöpft schienen. Das führte natürlich zu einem Gespräch über Arthur und Lynn und deren Karrieren im Polizeiapparat, und da ich ja ebenfalls neu in der Straße war, erkundigte man sich logischerweise
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