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Kleider machen Leute

Kleider machen Leute

Titel: Kleider machen Leute
Autoren: Gottfried Keller
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polnischen Grafen herum, die
    Hände in den hintern Rocktaschen, mit den Augen blinzelnd
    und auf den Stockzähnen lächelnd. Denn es waren diejenigen
    Mitglieder guter Häuser, welche ihr Leben lang zu Hause blie-
    ben, deren Verwandte und Genossen aber in aller Welt saßen,
    weswegen sie selbst die Welt sattsam zu kennen glaubten.
    Also das sollte ein polnischer Graf sein? Den Wagen hat-
    ten sie freilich von ihrem Comptoirstuhl aus gesehen; auch
    wußte man nicht, ob der Wirt den Grafen oder dieser jenen
    bewirte; doch hatte der Wirt bis jetzt noch keine dummen
    Streiche gemacht; er war vielmehr als ein ziemlich schlauer
    Kopf bekannt, und so wurden denn die Kreise, welche die
    neugierigen Herren um den Fremden zogen, immer kleiner,
    bis sie sich zuletzt vertraulich an den gleichen Tisch setzten
    und sich auf gewandte Weise zu dem Gelage aus dem Stegreif
    einluden, indem sie ohne weiteres um eine Flasche zu würfeln
    begannen.
    Doch tranken sie nicht zuviel, da es noch früh war; dage-
    gen galt es einen Schluck trefflichen Kaffee zu nehmen und
    dem Polacken, wie sie den Schneider bereits heimlich nann-
    ten, mit gutem Rauchzeug aufzuwarten, damit er immer mehr
    röche, wo er eigentlich wäre.
    „Darf ich dem Herren Grafen eine ordentliche Zigarre an-
    bieten? Ich habe sie von meinem Bruder auf Kuba direkt be-
    kommen!“ sagte der eine.
    „Die Herren Polen lieben auch eine gute Zigarette, hier ist
    echter Tabak aus Smyrna, mein Kompagnon hat ihn gesen-
    det“, rief der andere, indem er ein rotseidenes Beutelchen hin-
    schob.
    „Dieser aus Damaskus ist feiner, Herr Graf,“ rief der dritte,
    „unser dortige Prokurist selbst hat ihn für mich besorgt!“
    Der vierte streckte einen ungefügen Zigarrenbengel dar,
    indem er schrie: „Wenn Sie etwas ganz Ausgezeichnetes
    wollen, so versuchen Sie diese Pflanzerzigarre aus Virginien,
    selbstgezogen, selbstgemacht und durchaus nicht käuflich!“
    Strapinski lächelte sauersüß, sagte nichts und war bald in
    feine Duftwolken gehüllt, welche von der hervorbrechenden
    Sonne lieblich versilbert wurden. Der Himmel entwölkte sich
    in weniger als einer Viertelstunde, der schönste Herbstnach-
    mittag trat ein; es hieß, der Genuß der günstigen Stunde sei
    sich zu gönnen, da das Jahr vielleicht nicht viele solcher Tage
    mehr brächte; und es wurde beschlossen auszufahren, den
    fröhlichen Amtsrat auf seinem Gute zu besuchen, der erst vor
    wenigen Tagen gekeltert hatte, und seinen neuen Wein, den
    roten Sauser, zu kosten. Pütschli-Nievergelt, Sohn, sandte
    nach seinem Jagdwagen, und bald schlugen seine jungen Ei-
    senschimmel das Pflaster vor der Waage. Der Wirt selbst ließ
    ebenfalls anspannen, man lud den Grafen zuvorkommend ein,
    sich anzuschließen und die Gegend etwas kennenzulernen.
    Der Wein hatte seinen Witz erwärmt; er überdachte schnell,
    daß er bei dieser Gelegenheit am besten sich unbemerkt ent-
    fernen und seine Wanderung fortsetzen könne; den Schaden
    sollten die törichten und zudringlichen Herren an sich selbst
    behalten. Er nahm daher die Einladung mit einigen höfli-
    chen Worten an und bestieg mit dem jungen Pütschli den
    Jagdwagen.
    Nun war es eine weitere Fügung, daß der Schneider, nach-
    dem er auf seinem Dorfe schon als junger Bursch dem Guts-
    herren zuweilen Dienste geleistet, seine Militärzeit bei den
    Husaren abgedient hatte und demnach genugsam mit Pferden
    umzugehen verstand. Wie daher sein Gefährte höflich fragte,
    ob er vielleicht fahren möge, ergriff er sofort Zügel und Peit-
    sche und fuhr in schulgerechter Haltung in raschem Trabe
    durch das Tor und auf der Landstraße dahin, so daß die Her-
    ren einander ansahen und flüsterten: „Es ist richtig, es ist je-
    denfalls ein Herr!“
    In einer halben Stunde war das Gut des Amtsrates erreicht,
    Strapinski fuhr in einem prächtigen Halbbogen auf und ließ
    die feurigen Pferde aufs beste anprallen; man sprang von den
    Wagen, der Amtsrat kam herbei und führte die Gesellschaft
    ins Haus, und alsobald war auch der Tisch mit einem halben
    Dutzend Karaffen voll karneolfarbigen Sausers besetzt. Das
    heiße gärende Getränk wurde vorerst geprüft, belobt und so-
    dann fröhlich in Angriff genommen, während der Hausherr
    im Hause die Kunde herumtrug, es sei ein vornehmer Graf da,
    ein Polacke, und eine feinere Bewirtung vorbereitete.
    Mittlerweile teilte sich die Gesellschaft in zwei Partien, um
    das versäumte Spiel nachzuholen, da in diesem Lande keine
    Männer zusammensein
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