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Vampire trinken ex

Vampire trinken ex

Titel: Vampire trinken ex
Autoren: Carter Brown
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1
     
    Von außen sah das Haus aus wie
ein überzeugendes Argument für sämtliche Steuererhöhungen, die die Regierung
seit jenem goldenen Zeitalter vorgenommen hatte, als Horace Chase es sich hatte
leisten können, einhunderttausend Dollar dafür zu verschleudern, den
zweitklassigen Horrorfilmen, die ihn reich gemacht hatten, ein ewiges Denkmal
zu errichten.
    Ich ließ meinen Wagen in der
Auffahrt stehen und ging zur Vorderveranda, wobei ich mich redlich bemühte, die
nachempfundene gotische Fassade zu ignorieren. Irgendwann innerhalb der
nächsten fünfzig Jahre würde das Haus unweigerlich mit den ständig
abbröckelnden Klippen über den Rand des Abgrunds gleiten und im Pazifischen
Ozean versinken. Ein Verlust, fand ich, wäre das nicht. Das Portal schien aus
massivem Eichenholz zu sein und hing in schweren, eisernen Angeln. Der
Klingelzug daneben war von Grünspan überzogen.
    Die Tür öffnete sich wenige
Sekunden später. Ein Mädchen stand auf der Schwelle und blickte mich an. Die
unglücklichen Opfer in Horace-Chase-Horrorfilmen waren stets gleichen Typs,
jung, feminin und, abgesehen von ihren Busen, zart und zerbrechlich. Dieses
Mädchen war keine Ausnahme. Es hatte langes, schwarzes, seidig schimmerndes
Haar, große dunkle Augen, einen blassen Teint und einen vollen, doch kindlich
unschuldigen Mund. Es trug eine Art Sackkleid aus sehr dünnem, schwarzem Stoff,
der aber leider nicht durchsichtig war. Die Konturen ihrer hohen straffen
Brüste, die sich gegen das feine Material abzeichneten, weckten lustvolle
Gefühle in mir.
    »Ich bin Rick Holman «, sagte ich.
    »Sie werden erwartet, Mr. Holman .« Ihre Stimme hatte einen
einschmeichelnden Klang. »Wollen Sie nicht hereinkommen ?«
    Ich trat in die riesige
Empfangshalle, und sie schloß die Tür hinter mir. Selbst wenn man wußte, daß
das ganze Haus nichts weiter als Attrappe war, konnte man sich der bedrückenden
Atmosphäre nicht entziehen. Die fensterlosen Wände waren so tapeziert, daß man
das Gefühl hatte, eingeschlossen zu sein von schier unzerstörbaren Steinmauern,
wie sie der Graf von Monte Christo nur zu gut gekannt hatte, und
selbstverständlich knarrte jede Stufe der breiten Treppe, die sich in den
ersten Stock hinaufwand. Der Boden war mit echten, nur roh behauenen
Steinplatten belegt, und obwohl sie nicht glitschig aussahen, verursachte mir
der Gedanke, sie vielleicht berühren zu müssen, Abscheu. Ein Leuchter
verbreitete Licht, so dämmrig wie das einer ewigen Lampe, so daß aus den
Winkeln und Ecken der Halle tiefe, lange Schatten hervorkrochen. Es war fünf
Uhr nachmittags, und draußen lachte eine strahlende Sonne vom wolkenlosen
Himmel. Nie zuvor hatte ich mir klargemacht, wie beruhigend ein einziges
Fenster sein kann.
    »Sie wohnen hier ?« fragte ich.
    »Natürlich.« Sie gönnte mir ein
verständnisvolles Lächeln. »Ich bin Chastity Chase .«
    » Chastity ?« echote ich ungläubig.
    »Der Einfall stammt von
Großvater«, erklärte sie gelassen. »Mein Vater starb vor meiner Geburt, und
meine Mutter besaß wohl damals nicht die Kraft, sich ihm zu widersetzen .« Sie zuckte die Achseln. »Jemand muß sich um Großvater
kümmern. Das Los fiel auf mich, weil sich sonst niemand finden ließ. Er weigert
sich, Dienstboten ins Haus zu nehmen, und wo würde man überhaupt jemanden
finden, der bereit wäre, in einem solchen Haus zu arbeiten ?«
    »Wissen Sie, weshalb er mich
herbestellt hat ?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte
sie. »Aber lassen Sie es sich lieber von ihm selbst erzählen. Er erwartet Sie
in seinem Zimmer .«
    »Hängt er da vielleicht mit den
Füßen von der Decke ?«
    Sie lächelte. »Ich glaube, die
Tage, als er den Vampir spielte, sind längst vorbei, Mr. Holman .
Wenn Sie oben an der Treppe links abbiegen, ist es die zweite Tür rechts. Gehen
Sie gleich hinein .«
    »Wenn Sie einen Schrei hören,
dann holen Sie aber sofort Hilfe«, sagte ich. »Das müssen Sie mir versprechen .«
    »Wenn Sie es jetzt schon
gruselig finden«, versetzte sie, »dann sollten Sie einmal um Mitternacht kommen .«
    Ich stieg die knarrenden Stufen
hinauf, wandte mich nach links, öffnete die zweite Tür rechts und trat ins
Zimmer. Der Raum hatte ein Fenster, zumindest vermutete ich, daß sich hinter
den schweren bodenlangen Vorhängen, die fest zugezogen waren, ein Fenster
befand. Im Licht einer einzigen flackernden Kerze konnte ich die Umrisse eines
riesigen Himmelbetts erkennen, das aussah, als wäre es für Edgar Allan Poe entworfen
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