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Die Königin von Theben

Die Königin von Theben

Titel: Die Königin von Theben
Autoren: Christian Jacq
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    A hotep sah die letzte Wache, die gerade am Haupttor des Palasts vorbeiging. Die hübsche, dunkelhaarige junge Frau von achtzehn Jahren hatte sich die kleine Pause vor der Wachablösung zunutze gemacht, war in ein Tamariskengebüsch gesprungen und hatte sich eine halbe Stunde nicht mehr bewegt, bis die Dämmerung hereinbrach.
    Sie war die Tochter von Königin Teti der Kleinen, und man hatte ihr einen seltsamen Namen gegeben, der sich auf verschiedene Weise übersetzen ließ: ›Der Mond erscheint in seiner vollen Gestalt‹, ›Der Mond ist besänftigt‹, oder: ›Krieg und Frieden‹ – denn der Mond war nach Meinung der Priester und Weisen ein Kriegsgott, der das Geheimnis von Tod und Auferstehung in sich barg.
    Der Krieg … Gab es eine andere Lösung, um sich aus der Umklammerung der Eindringlinge zu befreien? Die Hyksos kontrollierten das ganze Land, mit Ausnahme von Theben, der heiligen Stadt Amuns. Dank Amuns Hilfe waren der Tempel von Karnak und die benachbarte Stadt von den Eroberern verschont worden, doch wie lange würde dieser Zustand noch dauern?
    Die Hyksos hatten das Land vom Delta her eingenommen, heute vor vierzig Jahren, und sie waren zahlreicher als ein Heuschreckenschwarm! Aus Asien kamen sie, aus Arabien, aus Kanaan, Syrien, dem Kaukasus, es gab Minoer unter ihnen, Zyprioten, Perser, Anatolier und Angehörige anderer Stämme, und ihre Körper waren gepanzert! Sonderbare Geschöpfe auf vier Beinen mit großen Köpfen zogen mit ihnen, größer und schneller als Esel. Man nannte sie Pferde, und sie zogen Wagen auf Rädern und kamen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit vorwärts, wodurch die Feinde den Soldaten des Pharaos überlegen waren.
    Ahotep wetterte gegen die Laschheit und Feigheit der armseligen thebanischen Armee. Natürlich konnte sie sich mit den gewaltigen Heeren des Feindes nicht messen, die noch dazu neue und schreckliche Waffen besaßen; aber die Untätigkeit würde geradewegs zur Vernichtung führen!
    Wenn Apophis, der König der Hyksos, sich dazu entschließen sollte, Theben zu zerstören, würden die ägyptischen Soldaten die Flucht ergreifen und die Bevölkerung würde niedergemetzelt – mit Ausnahme der hübschen Frauen, mit denen sich die brutalen Eindringlinge vergnügen würden, und der kräftigsten Kinder, die man dann wohl als Sklaven aus der Stadt führte.
    Die letzten freien Männer des Landes der Pharaonen würden sich mit gesenkten Köpfen in ihr Los fügen, unfähig, sich zu widersetzen.
    Was war von dem herrlichen Reich der Erbauer der Pyramiden geblieben? Eine isolierte Provinz, in die Zange genommen vom Feind im Norden und seinen nubischen Verbündeten im Süden, ein halb verfallener Tempel, erbaut von Sesostris I., und ein Palast, der nichts Königliches mehr besaß!
    Wenn Teti die Kleine nicht gewesen wäre, die sich gegen die Beseitigung des Hauses der Königin gewehrt hatte, wären die Thebaner wie die übrigen Ägypter Diener der Hyksos geworden.
    Doch Ahoteps Mutter befand sich in fast vollständiger Isolation, und ihre Kräfte begannen nachzulassen; zudem nahm die Zahl derjenigen, die sich für die Unabhängigkeit Thebens stark machten, von Tag zu Tag ab.
    Wenn es noch jemanden unter ihnen gab, der den Widerstand wollte, so war es Ahotep. Die junge Frau fürchtete weder Leid noch Kampf, noch den eigenen Tod. Selbst wenn man ihr das Messer an die Kehle setzte, würde sie sich noch weigern, sich den Hyksos zu unterwerfen.
    Die Hofdamen machten sich über sie lustig und hielten sie für verrückt – doch eher für amüsant als gefährlich.
    Sie täuschten sich.
    Mit dem heutigen Tag begann der Befreiungskrieg.
    Als einziger Soldat nahm eine Aufständische von achtzehn Jahren daran teil, und ihre einzige Waffe war ein gut geschärftes Messer aus Feuerstein.
    Die Wachablösung hatte stattgefunden, Theben rüstete sich zur Nacht. Seit langem fand man sich nicht mehr zu Festmahlen zusammen, im Empfangssaal waren die Wandmalereien verblasst, und man spielte keine Musik mehr.
    Und kein Pharao bestieg mehr diesen hoffnungslos leeren Thron.
    Ahotep wollte diese Vorstellung vergessen, die ihr das Herz zerriss, und lief in Richtung des Anlegeplatzes.
    Am Kai lag ein Boot mit unbrauchbarer Fracht, eine Schute, die einst zum Transport von Steinblöcken aus den von den Eroberern geschlossenen Sandsteinbrüchen gedient hatte, und einige kleine Kähne.
    Darunter war ein Kahn für zwei Ruderer, das Transportmittel, das Ahotep benutzen wollte, um das eng umgrenzte
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