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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
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ich mit dir zusammen bin. Du erfüllst alle meine Bedürfnisse. Wenn etwas geschieht, das diese Fantasievorstellungen zerstört, verändern sich die Worte: Ich hasse ihn. Ich frage mich, was ich in ihm gesehen habe. In Wirklichkeit macht uns niemand glücklich oder traurig; das tun nur wir selbst. Verliebtheit ist voller Illusionen; wirkliche Liebe oder wirkliches Mitgefühl sind frei von Illusionen. Sie sind einfach das, was wir sind.‹
    Jung überdachte, was er gerade gelesen hatte. Es gefiel ihm. Darüber schlief er ein.
     
     
     
     
     

Wieder zu Hause
    »Und jetzt?«, drängelte Svenja.
    »Was und jetzt?«
    »Was passiert denn nun mit dem ausgebüchsten Seemann?«
    »Das weiß ich nicht genau. Ich möchte jedenfalls nicht mit ihm tauschen.«
    »Und die Republikflüchtlinge?«
    Jung lachte. Er hob sein Glas mit einem südafrikanischen Sauvignon blanc und trank seiner Frau über den schmalen Tisch zu. Es war nun schon einige Zeit vergangen, dass er aus Afrika zurückgekehrt war und seine Wehrübung beendet hatte. Der Ausstieg hatte sich so langwierig gestaltet wie der Einstieg. Einige Ausrüstungsgegenstände waren verloren gegangen. Das Sonnenvisier und ein Paar Lederhandschuhe waren unauffindbar. Er hatte eine Verlustmeldung schreiben müssen. Der Chef des Stabes, der noch immer vor Somalia nach Terroristen fahndete, hatte die Meldung gegenzuzeichnen und zu bestätigen, dass Jungs Angaben korrekt waren.
    Er hatte sich auch einer medizinischen Überprüfung stellen müssen, um seine physische und psychische Unversehrtheit festzustellen. Anfangs war er von der ungewohnten Fürsorge gerührt gewesen. Nach dem Gespräch mit dem Wehrpsychologen musste er jedoch einsehen, dass es ausschließlich darum ging, etwaige Versorgungsansprüche aus möglichen Wehrdienstbeschädigungen von Anfang an auszuschließen. Der Staat sicherte sich gegen ihn und seine Rechte ab, sein persönliches Wohlergehen spielte – wenn überhaupt – eine nur untergeordnete Rolle.
    Er war froh, wieder zu Hause zu sein. Als er zum ersten Mal seit vielen Wochen sein Haus betrat, kamen ihm der viele Platz, die großen Fenster, die hübschen Vorhänge, die Helligkeit, die geschmackvolle Einrichtung, der Luxus der Bäder, die Ruhe und Leere unwirklich vor. Die Großzügigkeit und der Komfort überwältigten ihn. Wer sich von hier freiwillig wegbewegt in die Welt eines Kriegsschiffes, das im Indischen Ozean herumdümpelt und nach Terroristen sucht, muss wirklich ein kompletter Idiot sein, dachte Jung insgeheim.
    Dennoch empfand er seine Zeit bei der Marine als Bereicherung. Er hätte sie nicht mehr missen wollen. Was ihn geängstigt, erschrocken, geschmerzt, belastet, eingeengt, geärgert, Kraft, Schweiß und Entbehrungen gekostet hatte, wandelte sich schnell zu einem Schatz, aus dem er schon jetzt ungeahnten Gewinn zog. Und wenn es nur die Geschichten waren, die er zu erzählen hatte und denen Svenja gespannt folgte.
    »Kommen sie in den Bau?«, fragte sie neugierig.
    »Ich glaube schon. Fragt sich nur in welchen.«
    »Doch nicht etwa in Dschibuti?«, rief sie entsetzt.
    »Davor bewahre sie Gott. Die Franzosen beschäftigen sich nun erst einmal mit ihnen, glaube ich. Schwer zu sagen, was sie mit ihnen machen. Auf jeden Fall werden sie nicht so gut essen und trinken wie wir.«
    »Wer weiß? Die Franzosen sind berühmt für ihre Küche.«
    Sie lachten. Die Weinstube im Krusehof hatte sich Jung ausgesucht, weil kein größerer Kontrast zum Ambiente eines Kriegsschiffes vorstellbar war. Es war zwar auch hier eng, aber das vom Rauch der Jahrzehnte geschwärzte Balken- und Ständerwerk des alten Brennstoffspeichers unterteilte den spärlichen Raum in intime Nischen und gemütliche Abteilungen, an deren Tischen auch eine zahlreichere Gesellschaft Platz fand.
    »Was ist mit deinem Hiwi, diesem Bootsmaaten? Willst du ihn nicht einmal einladen?«
    »Oberstabsbootsmann, Svenja. Und Hiwi trifft es auch nicht. Er war sehr viel mehr.« Jung schwieg nervös. »Nee, lieber nicht«, sagte er nach einer Weile verstimmt.
    »Tomi, deine Finger«, ermahnte ihn seine Frau. »Das Trommeln stört mich.« Sie nahm ein Stück Flammkuchen vom Brett und reichte es ihm hinüber. »Also warum?«
    »Was warum?«
    »Dein Hiwi. Warum lädst du ihn nicht ein?«
    »Ich will nicht.«
    »Was ist passiert? Sag schon. Ich kenn dich doch.«
    »Ich will nicht darüber reden«, erwiderte Jung abweisend.
    »Könnte er vielleicht etwas ausplaudern, was ich nicht wissen soll? Gestehe,
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