Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
Vom Netzwerk:
Leben gehabt und hätte ein noch besseres haben können. Wäre ja nicht ewig gewesen mit der Seefahrt. Hatte schon meine Pläne. Aber wenn sie mal ein paar Tage aufs Bumsen verzichten müssen, machen sie gleich die Biege. Keine Disziplin. Keine Treue. Nur Scheiß in der Birne. Scheiß was drauf. Scheiß auf die Weiber. Da lob ich mir die Professionellen. Da weiß man, was man hat. Lilly, die ist ’n echter Kracher. Und nicht teuer.
     
    *
     
    »Für den Bundesminister der Verteidigung, der Leiter der Stammdienststelle … Die Unterschrift kann ich nicht entziffern«, schloss der IO.
    »Ich würde mal zu Fielmann gehen.« Der Spruch kam wieder aus der Truppe und löste erneut allgemeine Heiterkeit aus. Der IO überreichte dem vorgetretenen Obermaaten ungerührt die Ernennungsurkunde, gratulierte ihm zum neuen Dienstgrad und befahl ihn zurück ins Glied. Dann stellte er sich betont aufrecht vor die Front und fixierte schweigend die Männer, einen nach dem anderen. Je länger sein Schweigen anhielt, desto mehr wuchs die Spannung. Es wurde mucksmäuschenstill.
    Schließlich sagte er laut: »Im Stillgestanden rede nur ich, Soldaten!« Er machte eine längere Pause und sah noch einmal durch die Reihen. »Wer gerade geredet hat, vortreten«, befahl er.
    Keiner rührte sich.
     
    *
     
    Das war natürlich Hein Blöd, der nicht mal vernünftige Brötchen backen kann. Fehlt bloß noch Käpt’n Blaubär und die Chaostruppe ist vollzählig. Scheißt sich in die Hose, wie immer, wenn er nicht gerade ’ne Nase durchgezogen hat. Aber dann. Große Klappe, nichts dahinter. Wie blöd muss man eigentlich noch sein, um von der Marine abgelehnt zu werden? Der Scheißer ist ’ne echte Beleidigung.
     
    *
     
    »Der Mann hat bis morgen früh Zeit. Bis zur Frühmusterung meldet er sich beim SVO 3 . Dann werden wir weitersehen.«
    Der IO ließ rühren und verließ das Deck in Richtung Vorschiff. Unter den Männern setzte Gemurmel ein. Sie wussten, wer der Witzbold war, taten aber unwissend, solange ihr Oberleutnant vor ihnen stand.
    »Ihr habt gehört, was der IO gesagt hat. Spätestens morgen früh erwarte ich Meldung. Wegtreten auf Station.« Die Gruppe löste sich auf und der Offizier verließ das Versorgungsdeck.
     
    *
     
    Tolle Vorstellung. Scheiße. Was liegt jetzt an? Ich muss die präparierten Gummibärchen noch einpacken. Die neue Bestellung muss mit Deutschland klargemacht werden. Meinen Hiwi muss ich einnorden, damit er weiß, wo was liegt und wie viel wir in Reserve halten müssen. Kein Problem, der Kerl frisst mir aus der Hand, seitdem er die Wohltaten von Gummibären und Schokolade kennengelernt hat. Eine echt arme Sau. Aber Kamerad. Verlässlich. So einen brauch ich. Wo ist er überhaupt? Da steht er ja, beim Provi 4 . Den Einkauf für das nächste Spitzenessen wird das Arschloch von Provi natürlich wieder mir zuschieben und sich hinterher dafür feiern lassen. Mir soll’s recht sein. Kann mir nur nützen. Wenn der von meinen Beziehungen zu den Franzmännern und Amis wüsste, würde der grün anlaufen.
    Ich ertrag das ganz einfach nicht mehr: nur Weicheier, Kokser, Wichtigtuer und Absahner. Frauen? Alle nur Schlampen. Paul und Kalle, die sind okay. Prima Kerle. Die haben das gemacht. Einfach so. Respekt. Leben jetzt drüben bei den Franzmännern. Neue Papiere, neues Leben, guten Job, schöne Frauen. Solche wie Lilly.
    John und Charles, auch tolle Typen. Die machen was draus. Was die so erzählen. Alle Achtung! Wenn ich sehe, was sie an den Hanteln stemmen, glaub ich ihnen jedes Wort. Blöd sind die nicht. Groß im Dealen. Kann ich noch was lernen.
    John sagt, es wird schwieriger. Die Russen kommen. Er braucht einen an Land, der Russisch kann. Wäre was für mich, sagt er. Würde mich schon reizen. Steckt ’ne Masse Schotter drin. Englisch und Französisch wären auch gut, aber nicht unbedingt nötig, sagt er.
    Englisch geht so, lernt man ja irgendwie nebenbei. Französisch? Kann man lernen. Paul und Kalle haben das auch geschafft. Habe schließlich Abi. Na ja, DDR-Abi. Wenn schon. Ist auch nicht schlechter als von den Wessis. Und den ganzen Marinescheiß kann ich sowieso besser als alle anderen.

Der Besuch
    Boll atmete hörbar aus. Er drängelte: »Was wisst ihr denn nun genau, Tomi?«
    Tomas Jung, Kriminalrat und Leiter des Dezernats für unaufgeklärte Kapitalverbrechen bei der Polizeiinspektion Nord in Flensburg, saß im Garten seines pensionierten Kollegen auf der Halbinsel Holnis. In Oxbüll hatte er die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher