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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
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etwas Prickelndes, Außergewöhnliches.
    »Wie soll das konkret aussehen? Hast du auch dazu eine Idee?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass du zu einer Wehrübung beim PIZ 5 des Flottenkommandos eingezogen wirst. Die kommandieren dich ab in den Stab des CTF 6 dort unten.«
    »Woher hast du das?«, unterbrach ihn Jung. »Woher kennst du dich so gut aus?« Ihm waren die militärischen Abkürzungen und Anglizismen in unangenehmer Erinnerung. Das Gespräch mit Jungmann lag noch nicht allzu lange zurück.
    »Vom Segeln mit den Marinern«, erwiderte Boll. »Ich krieg das beiläufig mit, das lässt sich nicht vermeiden. Aber bleiben wir bei der Sache. Ein solches Kommando wäre für deine Arbeit ideal und erforderte nicht viel militärischen Schnickschnack.«
    »Und die Anforderung meiner ach so wichtigen Person kommt vom Flottenchef persönlich und wird über den Polizeipräsidenten in Kiel, den er natürlich von der Kieler Woche her gut kennt, und der überhaupt nichts dagegen hat, dem Flottenchef einen Gefallen zu tun – zumal es ja um eine gute Sache geht –, zu Holtgreve durchgereicht. Der funktioniert, wie er immer funktioniert. Damit ist die Sache durch, und ich bin in Dschibuti. Wie lange dauert eigentlich so eine Wehrübung?« Jungs Ironie war nicht zu überhören.
    »Mach dich nicht lustig. Das kann durchgezogen werden, das versichere ich dir. Nichts daran ist illegal. Die Länge musst du mit Jungmann abklären. Wie viel Zeit wirst du brauchen? Ein, zwei Monate?«
    »Was wird aus meinem Fall bei Husum? Soll ich lieber nach einem Mädchen suchen, das sich in Luft aufgelöst hat, oder einen Seemann, der auf Nimmerwiedersehen im Meer versunken ist? Ganz zu schweigen von dem mörderischen Pseudoasylanten? Ich weiß nicht.«
    Boll dämpfte seinen Enthusiasmus. Er merkte, dass er Jung zum Widerspruch reizte, anstatt ihn anzustecken.
    »Das Mädchen hat Zeit. Hast du selbst gesagt. Der Seemann ist dringlicher.«
    »Sein Fall scheint auch attraktiver.«
    »Hoffentlich täuschst du dich nicht. Du kennst dich dort unten nicht aus. Aber Arbeit und Unbequemlichkeiten, die wirst du mehr haben, als dir lieb sein dürfte. Denk an dein Alter, mein Lieber!«
    »Eben wolltest du mich überreden, jetzt machst du mir die Sache madig. Was denn nun?«
    »Ach was, ich will nur nicht, dass du mir hinterher Vorwürfe machst. Also trinken wir auf dich und die Marine. Du machst das, nicht wahr?«
    »Du hast mich fast überredet. Ich rufe Jungmann morgen an. Dann sehen wir weiter. Prost.«
    Sie ließen sich die letzten Schlucke schmecken. Als Jung sich von seinem Kollegen verabschiedete, regnete es bereits seit geraumer Zeit. Er bedankte sich bei ihm für den Wein und versprach sich zu melden, wenn er mit Jungmann geredet hatte.
    »Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.« Bolls Neugier war echt. Aber es war reine Neugier, weiter nichts. Jung merkte ihm an, dass er sich nie und nimmer gewünscht hätte, mit ihm zu tauschen.
    »Ich muss jetzt los. Ich lass von mir hören. Bis dann, Klaus.«
    »Bis dann. Komm gut nach Hause, Tomi!«
    Jung lenkte sein Auto rückwärts aus der Einfahrt und nahm den Weg über Bockholm und Ulstrup auf die Nordstraße und von da auf die Osttangente nach Flensburg. Der stärker werdende Regen machte das Fahren beschwerlich. Das Gedankenkarussell in seinem Kopf störte seine Konzentration. Die aufgewirbelte Gischt von der Straße verschmierte die Frontscheibe seines Autos. Er brauchte unbedingt neue Wischerblätter.
     
     
     
     

Der Anruf
    In der Nacht hatte der Regen nachgelassen und gegen Sonnenaufgang ganz aufgehört. Jetzt riss hier und da die Wolkendecke auf. Ein auffrischender Südwestwind trieb Wolkenfetzen vor sich her. Es bestand Hoffnung, dass sich in Kürze ein freundlicher Himmel durchgesetzt haben würde.
    Jung fuhr von seinem Haus im Süden Flensburgs in die Innenstadt. Er erfreute sich jedes Mal wieder am Anblick der neu gestalteten Hafenspitze, die das Ende der weit ins Binnenland ragenden Flensburger Förde einfasste. Die Polizeiinspektion lag schräg gegenüber. Übersah man das neben dem Eingang angeschraubte Schild, so würde man in dem Polizeigebäude eher ein kleines, feines und vor allem teures Hotel alter Pracht vermuten. In Paris oder anderen französischen Städten findet man sie gelegentlich noch, ausgestattet mit alten Stilmöbeln und mit schweren Teppichen ausgelegt. Aber zu Flensburg hätte das nicht gepasst. So stellte sich die Frage, wozu das Gebäude früher gedient haben
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