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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
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mich.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Sie genossen es, sich den Wein genießerisch über die Gaumen gleiten zu lassen.
    »Du erwähntest vorhin eine vage Idee«, nahm Boll den alten Faden wieder auf.
    »Ein Marineoffizier hat mich darauf gebracht.«
    »Ein Marineoffizier.« Boll schüttelte den Kopf. »Putzig!« Er trank und verschluckte sich. Er hatte Mühe, den kostbaren Wein nicht in die Gegend zu prusten. Sein Hustenanfall war noch nicht abgeklungen, als er schon weiterfragte: »Bist du der Sache noch auf den Versen? Holtgreves Schiss ist ja nicht gerade motivierend.«
    »Alles okay?«, fragte Jung besorgt und klopfte ihm auf den Rücken.
    »Ja, geht schon«, keuchte Boll.
    Jung ließ von ihm ab und setzte sich wieder. »Ich bin neugierig. Ich will wissen, ob der Offizier in Dschibuti mit seiner Theorie richtig liegt.«
    »In Dschibuti? Soll das ein Witz sein?« Boll hatte sich mit einer Papierserviette die Nase geputzt und blickte Jung jetzt erstaunt an.
    »Wieso?«
    »Ich habe kürzlich mit einem alten Segelkameraden telefoniert.« Boll warf die zerknüllte Papierserviette geschickt in den vor der Tür zum Balkon stehenden Papierkorb. »Er ist Marineoffizier in Dschibuti.«
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Sie vermissen einen Soldaten. Angeblich ist er unbemerkt über Bord gegangen und seitdem verschollen. Er meint jedoch, da stimmt was nicht. Er bat mich – als Fachmann sozusagen – um Rat, was er tun könne.«
    »Ist der Fall denn schon untersucht worden?«
    »Das ist ja sein Problem. Er ist untersucht worden, aber er kann das Ergebnis nicht akzeptieren.«
    »Wer hat denn die Ermittlungen geführt?«
    »Die Kollegen aus Hannover. Das Schiff, von dem der Seemann verschwand, ist in Wilhelmshaven beheimatet. Und für Wilhelmshaven ist Hannover zuständig.«
    »Und wie heißt der Offizier?«
    »Jungmann, Fregattenkapitän Jungmann«, sagte Boll beiläufig.
    »Nee, nicht zu glauben? Mit dem habe ich auch gesprochen.« Jung schüttelte den Kopf.
    »Wie kamst du auf ihn?«
    »Mein vermeintlicher Täter ist legal nach Dschibuti ausgereist. Jungmann kennt sich in Dschibuti aus. Deswegen habe ich ihn um Amtshilfe gebeten. Er deutete an, der Somali könnte einen Auftrag bei uns gehabt haben und sein Asylstatus sei nur Tarnung gewesen. Die Tarnung drohte aufzufliegen. Da hat er zugeschlagen.«
    Boll zog überrascht die Augenbrauen hoch und stellte sein Glas auf den Tisch zurück. »Das ist eine verwegene Theorie, was meinst du?«
    »Er hat durchaus überzeugende Gründe angeführt. Ich würde gern nach Dschibuti reisen und den Mann sprechen. Das würde mir helfen, klarer zu sehen.«
    »Das geht ja nun nicht mehr.«
    »Ja, leider. Aber es wäre sowieso schwierig geworden. Holtgreve handelt nicht aus Einsicht und Verantwortung. Was von oben kommt, das vollstreckt er, ohne mit der Wimper zu zucken. Du kennst ihn ja.«
    Es entstand eine Pause. Sie griffen gleichzeitig nach ihren Gläsern und tranken.
    »Das wär’s doch«, rief Boll plötzlich wie elektrisiert. »Warst du eigentlich beim Barras?«
    »Ja, aber nicht bei der Marine. Ich bin, um ganz genau zu sein, als Gefreiter aus dem Fernmeldebataillon elf der elften Panzergrenadierdivision entlassen worden. Die Division ist aufgelöst. Es gibt sie nicht mehr. Weg, perdu.«
    »Das macht nichts. Du sprichst mit Jungmann. Du bietest an, ihm bei seinem Problem zu helfen. Er kennt dich. Du machst einfach ’ne Wehrübung bei ihm.«
    Jung fixierte Boll entgeistert.
    »Klaus, du bist verrückt. Ich bin Reservist bei den Stoppelhopsern. Gefreiter. Wie soll ich damit nach Dschibuti zur Marine kommen? Die bekämpfen den internationalen Terrorismus, wenn ich das richtig verstanden habe.« In Jungs Augen spiegelte sich Skepsis.
    »Tomas, du hast null Ahnung, wie das heutzutage geht.« Bolls Stimme hatte eine beschwörende Eindringlichkeit angenommen, mit der manche Eltern ihren Kindern gern zu einer Einsicht verhelfen wollen, von der sie annehmen, ihre Sprösslinge hätten sie noch nicht. »Der Flottenchef muss nur davon überzeugt werden, dass er dich in Dschibuti braucht«, fuhr Boll fort. »Jungmann hat einen guten Draht zu seinem Chef. Er hat ein großes Interesse, sein Problem vom Hals zu kriegen. Ein im Arabischen Meer spurlos verschwundener Soldat ist keine Belanglosigkeit. Das ist eine Katastrophe, vor allem, wenn die Presse Wind davon bekommt.«
    Boll schwieg und ließ seine Worte wirken. Jung überlegte. Würde er sich auf ein Abenteuer einlassen wollen? Ja, das hatte
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