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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall
Autoren: Lawrence Norfolk
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Aus Das Buch des John Saturnall, welches verzeichnet die geheimsten Künste des berühmten Kochs, darunter vorzüglich die Rezepte für das Festmahl, welches seinen Ruf befestiget. Gedruckt im Jahre des Herrn sechzehnhundertundeinundachtzig.
    ie Saturnus den ersten Garten erschaffen und wann, dergleichen zu wissen erdreistet sich der demütige Verfasser dieser Zeilen nicht, wie er auch den Namen nicht weiß, der über dem Tor mag geschrieben gewesen sein, ob Paradies oder Garten Eden. Doch in jener alten Pflanzung wuchs alles, so grünet. Palmbäume spendeten Datteln, und Honig floss aus den Bienenkörben. Trauben reiften an der Rebe, und alle Kreatur gedieh. Dort saßen die ersten Männer und Frauen in Freundschaft zusammen, und kein Mensch war Herr oder Sklave. Am Tisch des Saturnus bediente jeder Adam seine Eva, und in seinem Garten tauschten sie Liebesschwüre. Denn dort feierten sie das Fest des Saturnall.
    Nun sind die Gärten des Saturnus verwildert. Unser heruntergekommenes Zeitalter hat die Gerichte vergessen, die des alten Gottes Tische aus Kastanienholz einst geziert. In unseren Tagen der Restauration plappern dünkelweise Köche von ihren Erfindungen, und alchemistische Köche lassen aus Dorschrogen Erbsen erstehen. Hinter
solch erlesenen Speisen stapfen meine eigenen ungeschlachten Gerichte einher wie das Maultier, das hinter den Packpferden humpelt und misstönend schreit. Doch so wie einer, der nach dem Durchmessen der letzten Kriege sich erschöpft dem nachfolgenden Frieden hingibt, will ich hier zum letzten Male meinen Tisch decken.
    Denn wie ein später Adam will ich auf diesen Seiten einen neuen Garten pflanzen und Wörter als Früchte darbieten. Ich will Rezepte meiner Gerichte in solcher Fülle aufführen, dass die Tische des alten Gottes darunter ächzen. Und dann mögen Männer und Frauen beieinander sitzen, wie sie es einst getan, und abermals das Fest des Saturnus feiern. Und nun möge mein eigenes Fest beginnen, wie das erste Festmahl begann, als die ersten Männer und Frauen ihre Kelche mit einem geistigen Getränk füllten, welches den Bauch erwärmet und den Geist beflügelt.
     
    Wie man das altehrwürdige Getränk Hippocras bereitet, so auch unter dem gewöhnlichen Namen Gewürzwein bekannt ist.
    Aus den Früchten des ersten Gartens wurde dieses altehrwürdige Getränk bereitet: als da sind Datteln und Honig und Trauben und anderes, wie ich berichten werde. In einen großen Kessel gebe man ein Viertel weißen Weines und lasse ihn auf schwachem Feuer sieden, bis der Wein aufwallet. Man füge acht Viertel feinsten Honigs
hinzu, der nicht aus der Wabe gedrückt wurde, sondern aus ihr getropft ist. Sobald die Mischung aufkocht, kühle man sie mit kaltem Wein. Man lasse sie auskühlen, erhitze sie wieder und schäume sie ab. Dies geschehe ein zweites und ein drittes Mal, bis man des Königs Antlitz auf einer Pennymünze am Kesselboden sehen kann.
    Man entsteine Datteln und stoße ihr Fleisch mit Wein zu einem Brei. Man röste die Steine über einem Feuer und gebe sie in die Mischung. Man füge das süß schmeckende Blatt hinzu, welches heißt Folium , so viel gemahlenen Pfeffer, wie eine Frau beim Gebet zwischen den Handflächen halten kann, und eine Prise Safran von den Blüten des Krokus. Darauf gieße man ein wenig mehr als zwei Gallonen Wein oder so viel, bis die Flüssigkeit so dickflüssig ist, dass ein Ei darin schwimmen kann und so tief einsinkt, dass nur ein haselnussgroßer Teil der Schale an der Oberfläche zu sehen ist. Sodann binde man Nelken und Muskatblüte in einen Beutel aus feiner Leinwand oder, wie gelehrtere Köche sagen, einen Sack des Hippocras. Diesen Beutel lasse man in der Flüssigkeit weichen ...

    DIE PACKPFERDE STAPFTEN LANGSAM zum Tal hinunter. In den Schwaden grauen Nieselregens schaukelten die Tiere unter der Last von Kisten und Säcken. An ihrer Spitze kämpfte eine große Gestalt gegen den Regen an, als wollte sie die Pferde von dem dunklen Dorf weiter oben fortziehen. Ein junger Mann mit schmalem Gesicht, der neben der Holzbrücke unten im Tal stand, spähte unter seiner tropfnassen Hutkrempe hervor und rang sich ein Grinsen ab.
    Wasser sickerte durch die Nähte von Benjamin Martins Stiefeln. Der Regen durchweichte seinen Umhang. In dem Bündel zu seinen Füßen befand sich die Fracht, die im Gutshaus abzuliefern er sich verpflichtet hatte. Seit fast einer Woche war er unterwegs. An diesem Morgen hatte noch das ganze Tal vor seinen wundgelaufenen Füßen
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