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Magisches Erbe

Magisches Erbe

Titel: Magisches Erbe
Autoren: Richelle Mead
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Kapitel 1
    Es war nicht das erste Mal, dass man mich wegen einer wichtigen Mission aus dem Bett gezerrt hatte. Allerdings war es das erste Mal, dass man mich einer derart persönlichen Befragung unterzog.
    »Sind Sie noch Jungfrau?«
    »Was?« Ich rieb mir verschlafen die Augen, nur für den Fall, dass alles eine Art bizarrer Traum war und gleich verschwinden würde. Ein dringender Anruf hatte mich vor fünf Minuten aus dem Bett geholt, und jetzt hatte ich etwas Mühe, mich zurechtzufinden.
    Ms Terwilliger, meine Geschichtslehrerin, beugte sich näher zu mir heran und wiederholte die Frage mit einem eindringlichen Flüstern: »Ich wollte wissen, ob Sie noch Jungfrau sind.«
    »Ähm, ja …«
    Ich war jetzt hellwach und sah mich ängstlich in der Lobby meines Wohnheims um, ob auch niemand diesen verrückten Wortwechsel mithören konnte. Doch ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Abgesehen von einer gelangweilt wirkenden Schülerin am Empfang auf der anderen Seite des Raumes war die Lobby leer, wahrscheinlich weil kein normaler Mensch zu dieser nachtschlafenden Zeit auf sein würde. Als mich Ms Terwilligers Anruf geweckt hatte, hatte sie verlangt, dass ich mich wegen einer Sache auf »Leben und Tod« hier mit ihr traf. Über mein Privatleben verhört zu werden war allerdings nicht ganz das gewesen, was ich erwartet hatte.
    Sie trat zurück und seufzte erleichtert auf. »Ja, natürlich. Natürlich sind Sie noch Jungfrau.«
    Ich zog die Augenbrauen zusammen, unsicher, ob ich jetzt gekränkt sein sollte oder nicht. »Natürlich? Was soll das heißen? Was ist eigentlich los?«
    Sie nahm sofort wieder Haltung an und schob sich das (ständig herunterrutschende) Drahtgestell auf der bebrillten Nase nach oben. »Keine Zeit für Erklärungen. Wir müssen gehen.« Sie packte mich am Arm, aber ich widersetzte mich und blieb, wo ich war.
    »Ma’am, es ist drei Uhr morgens!« Und nur damit sie den Ernst der Situation verstand, fügte ich noch hinzu: »An einem Schultag.«
    »Das ist unwichtig.« Sie drehte sich zu dem Mädchen am Empfang um und rief durch den Raum: »Ich nehme Sydney Melrose mit. Mrs Weathers kann sich morgen mit mir über die Sperrstunde streiten.«
    Die Mitarbeiterin wirkte verblüfft, aber es war nur eine Collegeschülerin, die dafür engagiert worden war, über Nacht dort zu sitzen. Sie war der Respekt einflößenden Ms Terwilliger mit ihrer hochgewachsenen Gestalt und dem vogelähnlichen Gesicht nicht gewachsen. Die eigentliche Autorität, die die Mädchen in meinem Wohnheim hielt, war der Sicherheitsposten draußen, aber der nickte nur freundlich, als Ms Terwilliger mich vorbeischleifte. Ich fragte mich, wie viele Mädchen sie wohl schon auf diese Weise mitten in der Nacht verschleppt hatte.
    »Ich bin noch im Schlafanzug«, erklärte ich ihr. Es war allerdings der letzte Protest, den ich erheben konnte, als wir ihr Auto erreichten, das auf der Feuerwehrzufahrt parkte. Sie fuhr einen roten VW -Käfer, der an den Seiten mit Blumen bemalt war. Irgendwie überraschte mich das überhaupt nicht.
    »Ihnen passiert nichts«, sagte sie und fischte ihre Autoschlüssel aus einer großen Samthandtasche.
    Die Wüstennacht ringsum war kühl und still. Hohe Palmen bildeten dunkle, spinnenartige Formen, die sich vor dem Himmel abzeichneten. Dahinter leuchteten ein Vollmond und ein paar Sterne. Ich schlang die Arme um mich und berührte den weichen Stoff meines Mikrofleece-Morgenmantels. Darunter trug ich einen gestreiften Schlafanzug und dazu flauschige, beigefarbene Pantoffeln. Diese Kombination war in meinem gemütlichen Wohnheimzimmer zwar durchaus tragbar, für eine Nacht in Palm Springs jedoch nicht gerade praktisch. Andererseits war Ausgehen im Schlafanzug nirgendwo wirklich praktisch.
    Sie schloss den Wagen auf, ich stieg vorsichtig ein und suchte mir zwischen leeren Papierkaffeebechern und alten Ausgaben von Utne Reader ein freies Plätzchen. Meine Ordnungsliebe wand sich bei dieser Art von Chaos, aber das war im Augenblick noch meine geringste Sorge.
    »Ms Terwilliger«, sagte ich, sobald wir durch die Vorstadtstraßen fuhren. »Was ist los?« Jetzt, da wir nicht mehr im Wohnheim waren, hoffte ich, dass sie vernünftig reden würde. Ich hatte ihren »Auf-Leben-und-Tod«-Kommentar keineswegs vergessen und wurde allmählich nervös.
    Sie hielt den Blick auf die Straße vor uns gerichtet, während Sorgenfalten ihr kantiges Gesicht zeichneten. »Sie müssen einen Zauber weben.«
    Ich erstarrte, während ich ihre
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