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Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
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Vertreter des MAD 40 zu mir kommen lassen. Der wird als französischer Tauchtourist getarnt mit einem Kollegen eingeschleust. Sie werden die Männer identifizieren. Alles Weitere folgt dann.«
    Die beiden nickten erneut.
    »Kennt er sich aus?«, hakte Jung nach.
    »Ja, perfekt. Er treibt sich an allen Ecken, Plätzen und in allen Lokalen in Dschibuti herum, wo Nachrichten und Gerüchte verbreitet und gehandelt werden. Das ist sein Job.«
    »Den hat er aber nicht gut gemacht«, warf Schumann ein. »Sonst hätte er hören müssen, was ich gehört habe.«
    »Er hätte aber nicht unbedingt die gleichen Schlüsse daraus ziehen müssen«, gab Jung zu bedenken.
    »Er ist ein Ekel. Ein widerlicher Schleimer«, sagte Jungmann. »Ich traue ihm nicht viel zu. Aber das hier wird er erledigen können. Das passt zu ihm.«
    »Und wie geht es anschließend weiter?«, trieb Jung das Gespräch voran.
    »Wenn es der KaFü ist, werden wir die Militärpolizei schicken und ihn festnehmen lassen. Dann wird er in Deutschland vor ein ordentliches Gericht gestellt. Im schlimmsten Fall kriegt er fünf Jahre.«
    »Was geschieht mit seinen Helfern? Werden die auch in Gewahrsam genommen?«, fragte Schumann.
    »Ich kann mich nur zu den deutschen Soldaten äußern. Sein Helfer an Bord hat sich strafbar gemacht. Ja, der wird zur Verantwortung gezogen werden. Zivilisten machen sich strafbar, wenn sie einem Soldaten bei der Fahnenflucht Beihilfe leisten. Aber was sind die beiden in Tadjoura denn, Deutsche oder Franzosen? Herr Jung, das müssten Sie doch wissen.«
    »Die beiden werden in Deutschland gesucht. Ich habe den Fall vor Jahren bearbeitet«, antwortete Jung. »Allerdings glaubte die Polizei, dass sie Opfer krimineller Gewalt geworden seien. Nun stellt sich heraus, dass sie nur aus Deutschland abgehauen sind, ohne sich abzumelden. Das ist eine Ordnungswidrigkeit. Jetzt haben sie sicherlich falsche Papiere. Ich nehme an, französische Papiere. Das wäre in mancherlei Hinsicht strafbar: Fälschung, Verstoß gegen das Passgesetz usw. Ich weiß allerdings nicht, ob sie der deutschen oder der französischen Gerichtsbarkeit unterliegen. Wahrscheinlich beiden. Über die Reihenfolge kann ich nichts sagen.«
    »Gut. Verplempern wir keine Zeit und machen uns an die Arbeit. Noch Fragen?«
    Sie hatten keine Fragen und ließen Jungmann allein in seinem Büro zurück.
     
    *
     
    »Was machen wir jetzt, Tomi?« Schumann und Jung hatten sich ein Deck höher in die Brückennock gestellt und schauten über den Hafen auf das in der Ferne blinkende Wasser des Golfs von Aden.
    »Wir tun gar nichts. Wir warten. Ist das nicht eine soldatische Tugend, Schumi? Ich erinnere mich dunkel, dass du mir diese Tugend mal nahegelegt hast, erinnerst du dich?«
    »Ja ja, stimmt schon. In diesem Fall würde ich aber lieber etwas tun. Der Typ vom MAD könnte alles versauen.«
    »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Jungmann zu vertrauen.«
    »Und wenn nicht, können wir auch nichts machen. Okay, ich leg mich mal aufs Ohr. Vielleicht kann ich ja schlafen.«
    »Tu das. Bis später.« Jung stieg drei Decks tiefer in seine Kammer und war dankbar, dass er sie allein bewohnte. Er legte sich auf die Koje und nahm sein Buch zur Hand. ›Stellen wir uns einen Augenblick vor, dass die Menschen große Eiswürfel sind, etwa einen Kubikmeter groß, mit kleinen Köpfen und dünnen Beinen. So leben wir Menschen nämlich die meiste Zeit: Wir laufen herum wie Eiswürfel, die hart aneinanderprallen. Oft kracht und knackt es dabei an den Kanten. Um uns selbst zu schützen, frieren wir so fest ein, wie wir können, und hoffen, dass wir beim Zusammenstoß mit anderen härter sind als sie. Wir sind eiskalt, weil wir Angst haben.‹ Jung unterbrach seine Lektüre. Das ist eine erhellende Erkenntnis, dachte er und las weiter. ›Unsere Angst macht uns starr, unbeweglich und hart, und es gibt ein ziemliches Chaos, wenn wir mit anderen zusammenprallen. Jedes Hindernis, jede unerwartete Schwierigkeit kann uns in Stücke zerbrechen lassen. Eiswürfel verletzen, Eiswürfel haben es schwer. Wenn wir hart und starr sind, können wir noch so vorsichtig sein, wir laufen Gefahr, auszurutschen und die Kontrolle zu verlieren. Wir haben scharfe Kanten, die Schaden anrichten, und wir verletzen nicht nur andere, sondern auch uns selbst.‹
    Jung legte das Buch aus der Hand und dachte urplötzlich an seine Frau. Was machte sie wohl in dieser Sekunde? Er verlor sich in Gedanken an zu Hause, an seine Kinder und
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