Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kielwasser

Kielwasser

Titel: Kielwasser
Autoren: Reinhard Pelte
Vom Netzwerk:
Auto stieg. »Vor uns liegt eine Hügelkette, dahinter ein Geröllfeld und dann ein Trockenbett. Auf der Karte ist die Piste zwar als befahrbar eingezeichnet, aber mit Einschränkungen.«
    »Was ist, wenn der Fluss vollgelaufen ist? Hatten wir das heute nicht schon einmal?«, bemerkte die Fußmeier trocken.
    »Abwarten. Leg los, Bootsmann. Die Franzmänner fahren schon.«
    Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, sich festzuhalten und einzuklemmen, damit sie sich nicht die Köpfe anstießen oder sonst wie verletzten. Es schepperte und krachte, als wolle das Auto gleich auseinanderbrechen. Die Scheinwerfer schlugen Lichtbalken durch die Finsternis und beleuchteten blitzartig bizarre Felsfiguren, die Jung das Blut in den Adern gefrieren ließen. Es war unheimlich. Der Fahrer fuhr das Auto im Allradantrieb und klammerte sich verzweifelt am Steuer fest. Jung hatte Angst, dass sie umkippen oder mit einer ernsthaften Havarie liegen bleiben könnten, mit Achs- oder Federbruch, einer Reifenpanne oder mit einer durchgeschlagenen Ölwanne. Wer würde sie aus dieser öden Finsternis herausholen können? Von den Jeeps vor und hinter ihnen sahen sie nur kurz die Lichtkegel in den Himmel ragen, wenn sie über dicke Gesteinsbrocken hopsten. Kommunikationstechnisch tot, durchfuhr es Jung. An eine Unterhaltung zwischen den Insassen war nicht zu denken. Sie waren damit ausgelastet, unversehrt zu bleiben und ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.
    Endlich war die Tortur vorbei. Die Franzosen stoppten auf einem ebenen Sandstück, das zu einem reißenden Fluss abfiel. Die Scheinwerfer der Fahrzeuge tauchten die Szenerie in ein gespenstisches Licht. Ihre Lichtkegel fielen auf einen Strom, dessen Wassermassen dahineilten wie eine in Panik fliehende Herde Rinder mit schmutzig weißen Rücken.
    »Bootsmann, was macht der Verbrauch?«, fragte Schumann nüchtern.
    »Wir sind im roten Bereich. Um die zehn Liter bleiben noch.«
    »Check das Fahrzeug, ob alles heil geblieben ist. Ich rede mit den anderen. Vielleicht haben die Treibstoff für uns.«
    Sie verließen das Fahrzeug. Draußen war es jetzt wirklich kalt. Jung schlang die Arme um die Brust.
    »Sie können einen Pullover von mir haben.« Die Journalistin war zu ihm getreten und blickte ihn bedauernd an. »Warten Sie, ich hole ihn aus meiner Reisetasche.«
    »Sehr freundlich, danke«, erwiderte er schuldbewusst. Dennoch nahm er den dicken Marinepullover, den sie ihm reichte, gern an.
    »Bootsmann, unsere französischen Freunde können uns mit Benzin aushelfen. Dieses Problem ist zunächst vom Tisch.« Schumann war zu dem Fahrer getreten und sah ihm zu, wie er, rücklings auf dem Boden liegend, die Unterseite des Autos kontrollierte. Er richtete sich wieder auf und klopfte sich den Sand von den Händen.
    »Alles soweit in Ordnung. Scheint nichts kaputt zu sein.«
    »Haben wir überhaupt Reserveräder an Bord?«, fragte ihn Schumann besorgt.
    »Nee. Kein Reservereifen, kein Werkzeug.«
    »Ich wage nicht zu fragen, wer das zu vertreten hat. Aber warum?« Schumann bemühte sich um Zurückhaltung, was ihm nicht gut gelang.
    »Aus Kostengründen. Reifen und Werkzeugtaschen wurden zu oft geklaut.« Der Fahrer wendete sich ab. Er ging dem Franzosen entgegen und nahm ihm den Reservekanister ab.
    »Wo ist dein Kollege?«, sprach Schumann ihn an.
    »Er ist im Fluss. Sucht eine Durchfahrt.«
    »Was? Ist der lebensmüde? Der säuft doch ab, wenn er nur stolpert.«
    »Wir kennen das. Kein Problem. Ihre Schuhe sind très, très gefährlich.« Er zeigte auf Schumanns und Jungs Sandalen.
    »Ich habe mehrere Ersatzstiefel im Auto«, mischte sich der Bootsmann ein. »Welche Schuhgröße haben Sie, Oberstaber?«
    »42. Und du, Tomi?«
    »Die Gleiche.«
    »Das passt.«
    Sie wechselten das Schuhwerk. Der zweite Franzose kam aus dem Fluss, bis an die Brust durchnässt, und schüttelte den Kopf. Dann beugten sie sich im Licht der Scheinwerfer über die Karte und beratschlagten. Jung überkam plötzlich Hunger und er musste dringend pinkeln. Er schlug sich seitwärts hinter einen flachen Hügel und war sofort von undurchdringlicher Finsternis umhüllt. Einige wenige Sterne sah er am Himmel, aber es schien kein Mond, der genug Licht gespendet hätte, um sich orientieren zu können. Also blieb er einfach stehen und gab seinem immer dringlicher werdenden Bedürfnis nach. Er erschrak, als er hinter sich Schritte im Sand hörte. Sein Herz hörte für den Moment auf zu schlagen und sein Atem stockte. Er wäre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher