Ketchuprote Wolken

ist, der das Alphabet rülpst, oder eine Frau, die in den Anden ein Huhn schlachtet. Es spielt keine Rolle, welche Sprache man spricht und welche Kleidung man trägt. Manche Dinge sind überall gleich. Familien. Freunde. Liebende. Sie sind gleich, in jeder Stadt in jedem Land in jedem Erdteil der Welt.
    Und ich möchte, dass du einer von diesen Menschen bist, Vogelmädchen. Du – der strahlendste, lebhafteste, schönste Mensch, den ich kenne, das Mädchen, das über Wuschelklopse schreibt und mit einem Croissant einen Schneemann lächeln lässt – verdienst ein gutes Leben. An dem Tag, an dem ich nach Südamerika flog, war ich vorher in der Bücherei, um dich zu sehen. Keine Ahnung, was ich sagen wollte, doch als ich hereinkam und dich am Regal stehen sah, entschied ich mich dagegen. Du standst mit dem Rücken zu mir, aber ich habe trotzdem gemerkt, wie schlecht es dir ging. Du hast die Bücher hochgenommen, als seien sie unendlich schwer, und hast immer wieder innegehalten, die Hand in die Hüfte gestützt, und deine Schultern hoben und senkten sich, weil du geseufzt hast. Genau auf diese Art habe ich selbst so oft geseufzt seit diesem Abend am Fluss. Ich wusste, wie sich das anfühlt. Die Trauer und Schwere im Herzen. Die nagenden Schuldgefühle. Das verzweifelte Verlangen, sich vor forschenden Blicken zu ver bergen und allein zu sein. Als eine Frau zu dir trat und sich nach einem Buch erkundigte, hast du nicht gelächelt und kaum etwas gesagt, sondern nur mit einer kraftlosen Geste auf die Wendeltreppe gezeigt. Ich wäre beinahe zu dir hingelaufen, um deinen Arm zu stärken, um dir in die Augen zu schauen und dir zu sagen, dass du die Vergangenheit vergessen und einfach nur leben sollst.
    Aber das habe ich natürlich nicht getan. Es hätte alles nur schlimmer gemacht, hätte dich an Dinge erinnert, die du vergessen willst. Und außerdem wäre ich schwach geworden, wenn ich dir zu nahe gekommen wäre. Ich hätte dich in die Arme nehmen wollen, um deinen Schmerz zu vertreiben. Und ich hätte dir gesagt, dass ich dich liebe, Alice. Denn das tue ich. Aus ganzem Herzen. Stattdessen murmelte ich »Leb wohl« vor mich hin und wandte mich ab, aber dann schaffte ich es kaum, die wenigen Meter bis zur Drehtür hinter mich zu bringen. Und an der Stelle, an der wir uns im Regen geküsst haben, blieb ich lange stehen und dachte daran, wie heiß unsere Lippen damals waren und dass sich alles so richtig angefühlt hatte, obwohl es nicht richtig war, was wir taten. Und dann ging ich.
    Diesen Brief werde ich dir niemals schicken. Es wäre nicht fair dir gegenüber, und ich hätte auch viel zu viel Angst, dass jemand ihn lesen und herausfinden könnte, was zwischen uns dreien geschehen ist. Ich werde ihn am Ende zerreißen und wegwerfen, wie all die anderen davor. Und wenn ich nach England zurückkomme und dich wiedersehe, wann auch immer, werde ich nichts sagen, das dich behindern könnte. Ich werde dir nicht sagen, wie sehr ich dich liebe, wie sehr ich mich davor fürchte, ohne dich leben zu müssen, und dass ich mich nur verkriechen kann, weil es kein Mädchen gibt, das sich auch nur annähernd mit dir vergleichen ließe … nein, ich werde dich einfach loslassen. Wahre Liebe bedeutet auch immer, Opfer zu bringen, und wenn du Max vergessen willst, kann ich nicht in deinem Leben sein.
    Mr Kurzgeschoren und Mr Kahlkopf sind gegangen. Es wird dunkel, und der Verkehr lässt nach, und nur ich bin noch hier und der Papagei, der im Käfig gefangen ist. So wirst du nicht leben, Vogelmädchen. Nicht meinetwegen. Breite deine starken Flügel aus. Und flieg.
    In Liebe



Danksagung
    Es hat lange gedauert, bis dieses Buch seine richtige Form gefunden hatte. Ich bin meiner Lektorin Fiona Kennedy unendlich dankbar, dass sie mir trotz Termindruck die Zeit gegeben hat, die ich brauchte. Herzlichsten Dank für die Geduld, das Verständnis, die Unterstützung und großartige redaktionelle Arbeit.
    Herzlichen Dank auch an Nina Douglas, die es wieder auf magische Weise geschafft hat, die Trommel für das Buch zu rühren! Das ganze Orion-Team ist fantastisch, und nur aus Platzgründen kann ich hier nicht alle mit Namen aufführen. Ich schätze mich glücklich, mit Menschen arbeiten zu können, die so viel Begeisterung, Kraft und Knowhow mitbringen. Mein Dank gilt auch allen bei Felicity Bryan. Ich bin so froh, dass ich eine so großartige Agentur habe, und bin immer stolz, wenn ich sagen kann, dass ich eine Autorin von Catherine Clarke