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Soul Kitchen

Soul Kitchen

Titel: Soul Kitchen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Die Zutaten des Lebens
    »Ein Mann, der um seine Existenz fürchtet, fickt nicht gut.«
    Seit heute Mittag trank Zinos Kazantsakis nur heißes Wasser, mit dem Geschmack von Zitronenschale. Wenn er ein paar Kilo abnehmen oder seine Nerven beruhigen wollte, schüttete Zinos Unmengen davon in sich hinein. Udo Pavese hatte dieses Getränk einmal heißer Kanarienvogel genannt.
    An Pavese hatte er schon lange nicht mehr gedacht. Bei ihm hatte Zinos einst kochen gelernt. Udo Paveses Vater stammte aus Turin, und dort hatte er dieses Getränk als Junge zum ersten Mal mit den Männern in den Cafés zu sich genommen.
    Pavese stellte zuerst eine Glaskanne auf ein Stövchen, füllte sie mit kochendem Wasser, schälte eine Zitrone rund– herum, ohne abzusetzen, und ließ die Schale am Stück ins Wasser gleiten. Der Anblick der Schale – wie sie über der kleinen Flamme des Teelichtes im heißen Wasser trieb – entspannte Pavese. Und dieses beinahe geschmacklose Getränk vertrieb auch den quälend zügellosen Hunger, an dem Zinos so häufig litt.
    Nun knurrte sein Magen wieder, und ihm war ein bisschen schwindelig. Vielleicht sollte er einen ordentlichen Joint rauchen. Dann wäre er vielleicht weniger wütend auf Nadine, die ihren Abschied feiern würde, um dann nach Shanghai zu ziehen. Zinos war nicht nach Feiern. Er war sicher, Nadine zu verlieren. Wie sollte man zusammen sein, wenn man nicht mal auf dem gleichen Kontinent lebte?
    Bei der Eröffnung seines Restaurants vor ein paar Jahren hatte Zinos gehofft, dass seine Irrfahrt durchs Leben für immer zu Ende sei. Seine letzte Reise aber schien immer noch wie ein Fluch auf ihm zu lasten. Keinem Menschen hatte er erzählt, was in der Karibik wirklich passiert war.
    Wie oft im Leben hatte er geglaubt, angekommen zu sein. Er hatte das Paradies gefunden – einen schöneren Ort als Adios kannte er nicht. Vielleicht wäre er jetzt aber auch nicht hier, wenn all das nicht passiert wäre. Er hätte das SOUL KITCHEN nicht eröffnet – und Nadine nicht getroffen. Sie war die erste Frau, die er liebte, die nicht narzisstisch, verlogen, labil, drogensüchtig, irre oder eine Nutte war. Jetzt aber würde sie abhauen. Vielleicht passten ihre Leben einfach nicht zusammen.
    Er arbeitete, er frittierte, aß Frittiertes, dachte an das Finanzamt, kiffte, trank ein paar Bier und Ouzos, unterhielt sich mit Bekannten und Fremden, setzte sich ab und zu in die Sonne, fuhr mit seinem Auto rum, hörte mit Sokrates griechische Musik, bis er müde wurde, und schlief traumlos.
    Das war sein Leben.
    Er hatte sich immer gefragt, ob Nadine das reichte.
    Mit ihr zu schlafen war immer gut gewesen, aber in letzter Zeit war es kaum noch dazu gekommen. Es gab nämlich ein paar Dinge, um die er sich jetzt kümmern musste. Seit Wochen musste er sich jetzt um Geldgeschichten kümmern.
    Ein Mann, der um seine Existenz fürchtet, fickt nicht gut, aber ein Mann, der sich vor gar nichts mehr fürchtet, auch nicht. Das hatte sein großer Bruder Illias immer gepredigt, wie so vieles. Eine von Illias’ Lebensweisheiten – das könnte Zinos jetzt wenigstens zum Lachen bringen, aber sein Bruder war wieder mal im Knast.
    Zinos atmete tief durch und schloss die Augen. In diesem Moment ertönte ein Schiffshorn, und schlagartig befiel ihn die altbekannte Melancholie. Am liebsten wollte er auf den nächsten Dampfer und einfach weg. Er würde Nadine niemals vergessen. So wie er auch alles andere nicht vergessen konnte. All die Rezepte, die ihn an vergangene Zeiten erinnerten, und all die Menschen, die untrennbar mit diesen verknüpft waren
    REZEPT: HEISSER KANARIENVOGEL
    MAN BRAUCHT
    – eine hitzebeständige Glaskanne
    – ein Stövchen, ein bis drei Teelichte
    – ein kleines, scharfes Messer
    – ein kleines Teeglas
    – mindestens einen Liter frisch abgekochtes Wasser
    – eine große Zitrone
    – ein paar Stunden Zeit
    ZUBEREITUNG
    Zuerst ein Teelicht anzünden, in das Stövchen stellen, Wasser aufsetzen und die Zitrone heiß abwaschen. Das kochende Wasser in die Kanne gießen und diese auf das Stövchen stellen. Während man die Zitronenschale direkt in das Wasser hineinschält, aufpassen, dass sie nicht abreißt. Die nackte Zitrone in den Kühlschrank legen, denn sie verdirbt entblößt sehr schnell.
    Man betrachtet die Schale in der Kanne, bis man vollkommen versunken ist. Dann hat der Aufguss genug gezogen. Die Zitronenschale nicht entfernen und den Aufguss über den Tag verteilt trinken. Man kann auch immer wieder
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