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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken
Autoren: Annabel Pitcher
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mich durchfuhr ein heißer Schrecken, als mir klar wurde, was er gesehen hatte, Stu – unsere Initialen, die er selbst ins Holz geritzt hatte. Ich rannte Aaron nach, der inzwischen an der Bank angekommen war und Max in dem Moment am Arm packte, als er mit dem Stein über unsere Namen herfallen wollte.
    »Es tut mir leid«, rief Aaron. »Es tut mir so leid!«
    Ich lief durch eine Pfütze, und beide Jungen fuhren herum und starrten mich an.
    » Was ist hier los !«, brüllte Max und schleuderte den Stein gegen die Bank. »Was ist hier los, verfluchte Scheiße!«
    »Wir … wir …«, stotterte ich und fuhr mir verzweifelt durch die triefnassen Haare.
    »Wir …«, sagte Aaron.
    »WAS?«, schrie Max, und jetzt strömten ihm Tränen übers Gesicht. »Was läuft hier? SAGT MIR DIE WAHRHEIT !«
    Aaron hielt beide Hände hoch. »Beruhig dich«, sagte er. »Beruhig dich bitte! Wir reden darüber, wenn du wieder nüchtern bist und alle sich …«
    »Du hast mir gar nichts zu sagen!«, brüllte Max und schlug nach Aarons Händen. »Du Dreckskerl!« Aaron sank auf die Bank. »Ich hab doch niemanden außer dir«, sagte Max dann mit erstickter Stimme. Er stolperte über seine eigenen Füße und wäre Aaron fast in den Schoß gefallen. »Und du«, knurrte Max mich an und holte aus, als wolle er mich schlagen. »Ich hab dir vertraut. Ich mochte dich!«
    »Ich dich auch! Ich schwöre dir … ich wollte nicht, dass es zu so etwas kommt.« Ich versuchte ihn an der Taille zu fassen, um ihn zu beruhigen, aber er stieß mich so heftig weg, dass ich rückwärts in Richtung Fluss taumelte.
    »Erzähl mir nichts, du Schlampe!«
    Aaron sprang auf. »So redest du nicht mit ihr!«
    Max lachte wie ein Irrer und schoss auf mich zu. Das gischtende Wasser war nur einen halben Meter von uns entfernt. Max packte mich an der Schulter und brüllte mir ins Ohr: » SCHLAMPE !«
    »Jetzt reicht’s!«, schrie Aaron. »Halt sie da raus!«
    »Auf dich brauch ich nicht zu hören!«, brüllte Max. Ein Donnerschlag krachte ohrenbetäubend. Max zerrte wieder an den Trägern meines Kleids, und ich versuchte, ihm auszuweichen.
    »Lass sie in Ruhe!«, schrie Aaron, und als Max nicht reagierte, packte er seinen Bruder und riss ihn von mir weg.
    Die beiden gingen mit Wutschreien in den Clinch und glitten dabei immer wieder auf dem schlammigen Ufer aus.
    »Ihr seid zu nah am Rand!«, schrie ich, aber sie schienen nichts zu hören, und irgendwie gelang es mir, mich zwischen sie zu drängen und sie auseinanderzuschieben, obwohl sie beide brüllend versuchten, aufeinander einzuschlagen.
    Max packte mich an den Haaren und schrie mir » SCHLAMPE !« direkt ins Gesicht. Spucke traf mich, und ich stieß ihn unwillkürlich von mir weg, zeitgleich mit Aaron.
    Max rutschte auf dem glitschigen Ufer aus, konnte sich nicht mehr halten. Ruderte wie verrückt mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden.
    Es gab ein lautes Platschen, als er ins kalte reißende Wasser des Flusses stürzte, und er riss entsetzt den Mund auf.
    »Hol ihn raus, Aaron!«, schrie ich. »Hol ihn raus!«
    Wie gelähmt beobachtete ich, wie Aaron sich auf den Boden warf und die Hand ausstreckte, aber die starke Strömung hatte Max schon erfasst und riss ihm die Beine weg. Wie in Zeitlupe sah ich Max untergehen und ein-, zweimal wieder auftauchen, bevor er den Fluss hinabtrieb, während Aaron am Ufer schrie und immer noch verzweifelt den Arm ausstreckte.
    Doch Max konnte ihn nicht mehr erreichen, die Strömung war zu stark. Er versuchte zu schwimmen, gab dann auf, trieb hilflos an Wurzeln und Ästen und einem orangen Rettungsring auf der anderen Seite des Ufers vorbei, der für uns alle nicht zu erreichen war. Immer wieder ging Max unter, kämpfte darum, den Kopf über Wasser zu halten, aber seine Kräfte ließen nach.
    Aaron schrie den Namen seines Bruders, und Max hob kraftlos den Arm. Dann gab sein Körper den Kampf auf.
    Sein Kopf ging unter.
    Sein Ellbogen.
    Sein Handgelenk.
    Seine Hand.
    Bleich, ins Leere greifend, versank sie.
    Aaron ließ sich auf die Bank sinken und rief zitternd und schluchzend einen Krankenwagen. Er sagte nichts von dem Kampf und von der Vorgeschichte, sondern nur: »Er ist ausgerutscht. Er war betrunken.« Ich starrte ihn an, brachte kein Wort hervor. Eingerollt wie ein Fötus lag ich am Ufer, als Mum und Dad neben mir auftauchten und ein Polizist mich in eine Decke hüllte, während Sandra in die Nacht hinausschrie.
    Die nächsten Stunden brachte ich in einem grauen Raum
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