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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche
Autoren: Martina Kempff
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meine Exkollegen vom Boulevard den sicheren Sieg dieser Eifelerin beim Model-Casting feiern würden.
    »Und Sie tun ein gutes Werk, wenn Sie unseren Gnadenhof unterstützen.«
    Nein, ich täte kein gutes Werk, meinen alten Kontakten dieses Landei zum Fraß vorzuwerfen. Die Branche würde sie kaputt machen, ihr vermutlich in jederlei Hinsicht die Unschuld rauben. So etwas darf ich nicht auf mein Gewissen laden.
    Gnadenhof, hat sie gesagt. Also wohnt das Mädchen in Gudruns altem Haus ein paar Hundert Meter weiter. Es gehört jetzt David, dem Mann aus Texas, der im vorigen Jahr herkam, um jenes Eigentum wieder in Besitz zu nehmen, das seiner Familie von den Nazis gestohlen worden war. Wir hatten seine Mutter zwei Jahre zuvor als legitime Erbin ausfindig gemacht und ihr den Hof übereignet, den ich durch Unrechtshandlungen anderer geerbt hatte. Und auf dem meine Freundin Gudrun aufgewachsen ist.
    Gudrun hat sich vor fast zwei Jahren in einer Hinterkammer meines Restaurants häuslich niedergelassen und wird ab morgen in der Einkehr den Gästen die Gerichte vorsetzen, die ich komponiere. Gudrun ist sehr tüchtig und von angenehm ausgeglichenem Gemüt – wenn sie nicht gerade einen der grausamen Schicksalsschläge einstecken muss, von denen sie gebeutelt wird. Dann putzt sie.
    Vor Kurzem ist David bei ihr eingezogen. Er ist immer gut gelaunt und zeichnet sich durch erstaunliche Bedürfnislosigkeit aus. Mit den Worten, er wisse noch nicht, ob er sich auf lange Sicht in der Eifel einrichten wolle, zerstob er allerdings Gudruns Traum von der Rückkehr in ihr altes Elternhaus am Arm des Mannes, dem es jetzt gehört. Als er vor drei Monaten ankündigte, den Hof einer armen Bauernfamilie zu verpachten, deren eigenes Anwesen wegen der dramatisch gesunkenen Milchpreise zwangsversteigert wurde, hatte Gudrun mit Engelszungen auf ihn eingeredet.
    »Mit einem Gnadenhof gehen die sofort wieder bankrott! Wer zahlt schon gutes Geld für schlechte alte Tiere? So etwas hat in der Eifel keine Zukunft«, sagte sie. Die beschwörende Betonung, die sie auf das Wort Zukunft legte, ließ uns alle erschauern. Jeder Ansatz, sich ihren Traum von einem Mann fürs Leben zu verwirklichen, ist bisher in eine Katastrophe gemündet, an deren Ende mehr als nur eine Leiche zu beklagen war.
    Die Kleine mit dem Eiertablett sieht aus, als würde sie zu Hause Ärger kriegen, wenn sie mit ihrer Adoptionsmission scheitert.
    Ich stehe wieder auf und mustere die mittelgroßen Eier. Von alten ausgemusterten Hühnern? Wohl eher von Hennen, denen der Gnadenhof ein Dasein in der Legebatterie erspart hat.
    »Wie heißt du?«, frage ich.
    »Pia«, antwortet sie und setzt zögerlich hinzu: »Prönsfeldt.«
    Den Namen könnte sie nach Streichung des Umlauts als Model glatt behalten.
    »Wir sind die Pees«, erklärt Pia. Ein bitterer Unterton schwingt in ihrer Stimme mit. »Mein Papa heißt Paul, meine Mama Petra und meine Schwester Patti, eigentlich heißt sie Patrizia. Blöd, nicht?«
    »Es gibt Schlimmeres«, sage ich leichthin. »Ich habe auch die gleichen Anfangsbuchstaben. Katja Klein. Wenn ich einen Mann namens Klaus geheiratet und der meinen Nachnamen angenommen hätte, hätten wir unsere Kinder Karl und Katharina nennen können; das wären dann unsere Großen und wir gemeinsam die Kaas gewesen.«
    Zum ersten Mal schleicht sich ein Lächeln in das bisher so ernste und fast ängstlich wirkende Gesicht. Auf dem Wochenmarkt hat dieses Mädchen bestimmt noch nie gestanden.
    »Sind Sie aber nicht.«
    »Nein. Wie alt bist du, Pia?«
    Sie zögert.
    »Gerade achtzehn geworden«, flüstert sie schließlich.
    Das überrascht mich, ich hatte sie auf höchstens fünfzehn geschätzt.
    »Oh, Entschuldigung, da muss ich ja Sie sagen.«
    »Nee, nee, ist schon gut so«, wehrt sie ab. »Meine Schwester und ich werden immer für jünger gehalten.«
    »Später werdet ihr euch darüber freuen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ist deine Schwester jünger oder älter?«
    »Ein Jahr älter.«
    »Dann seid ihr euch wohl sehr nah?«
    Sie antwortet nicht.
    »Ich hätte gern eine Schwester in meinem Alter gehabt«, sage ich, »aber ich war ein Einzelkind.«
    »Muss schön gewesen sein.«
    »Versteht ihr euch denn nicht?«
    »Doch, doch«, antwortet sie eilig. »Meine Schwester ist meine beste Freundin.«
    Klar, denke ich, sie sind neu hier, und in der Nachbarschaft gibt es kaum jemanden in ihrem Alter.
    »Aber du hast auch einen Papa«, fahre ich fort. »Ich hatte leider keinen.«
    »Es gibt
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