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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche
Autoren: Martina Kempff
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Gudrun stets mein offensichtlich unerwünschtes Nachbohren ab. Welcher Art weiß sie nicht oder behält sie für sich. Letzteres glaube ich nicht, es sei denn, er schafft Kunstwerke à la Jeff Koons, was sie vor Grauen garantiert ignorieren würde. Auch moderne Klecksereien sind ganz sicher nicht seine Sache, wenn ich sehe, wie akribisch er Karotten zurechtschneidet, wie ordentlich er alle Zutaten aufreiht und wie emsig er hinter sich und Gudrun herwischt. Gudrun hofft vermutlich, dass er von den Erträgen irgendwelcher transatlantischer Latifundien leben kann, was ich ebenfalls nicht annehme. Ich kenne nur seine Vergangenheit, genauer gesagt, die seiner Eifeler Vorfahren.
    In meinem ererbten Besitz habe ich ein offizielles Schriftstück entdeckt, in dem den Angehörigen auf der Kehr der Tod seiner Großmutter Elli Rescheid mitgeteilt wurde. Sie sei bedauerlicherweise an Herzversagen gestorben. Stempel und Unterschrift: Der Standesbeamte von Birkenau . Noch nie haben sich mir die Härchen auf meinen Unterarmen so aufgestellt wie bei der Lektüre dieses Schreibens.
    Der Mann, der Davids jüdische Großmutter dem Tod in der Gaskammer ausgeliefert hat, erhielt zur Belohnung den Hof und galt irgendwann als der reichste Grundbesitzer der Kehr. Er hieß Werner Arndt und war Gudruns Vater.
    Dass ihm und seiner eigenen Familie dieser Bluthof kein Glück gebracht und er ihn später auf ekelige Weise an meine Verwandtschaft verloren hat, ist wiederum eine andere Geschichte. Wie auch die mühsame Suche nach den wirklichen Erben des einstigen Rescheid-Hofs. Weder Gudrun noch ich hatten auch nur einen Moment lang erwogen, das Grundstück zu behalten, und wir fühlten beide so etwas wie Dankbarkeit, als wir David endlich aufgespürt hatten.
    Heute sind der Enkel des Opfers und die Tochter des Täters ein Paar. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies zwischen den beiden ein Thema ist. Der Mantel der Geschichte scheint dieselbe gnädig bedeckt zu haben. Auf eine direkte Frage von mir sagte David kurz nach seiner Ankunft: »Das ist alles zwar ganz furchtbar, aber so lange her. Ich habe damit nichts zu tun und Gudrun auch nicht.« In einem Kitschroman würde es heißen, die Liebe habe den Sieg davongetragen. Aber wohin wird sie ihn tragen, den Sieg?
    Mir bleibt die Sache unheimlich. Davids Mutter Mathilde lebt noch. Sie war elf Jahre alt, als sie die Eltern verlor und bei Fremden aufwuchs. Sie wird Erinnerungen haben. Vielleicht auch Zorn und Rachegefühle?
    Ich weiß, dass in David Quirks Elternhaus viel Deutsch gesprochen wurde. Sein Vater, selbst deutsch-irischer Abstammung, hatte als Besatzungsoffizier die blutjunge Mathilde in die Staaten mitgeholt – wie der Eifeler sagt.
    Als er Jahrzehnte später pensioniert wurde und mit ihr nach Temple in Texas zog, kam die Überraschung. Sie wurde in einem Alter schwanger, in dem sich andere Frauen mit der Menopause abquälen.
    »Dann musst du ja der Augapfel deiner Mutter sein«, sagte ich, als ich dies aus David herausgequetscht hatte.
    »The apple of her eye«, erwiderte er nickend. »Meine Mutter mordet für mich.« Daraufhin erklärte ich ihm den deutschen Konjunktiv, den er sehr verwirrend fand.
    »Und was hält sie davon, dass du jetzt schon so lange in Deutschland bist?«
    »Sie hofft, dass ich hier eine Frau finde, mit der sie in ihrer Muttersprache reden kann.«
    Für Gudrun, die bei diesen Worten ein inneres Leuchten nach außen sandte, gilt dieser Satz als Beweis, dass David in seiner Heimat tatsächlich ungebunden ist.
    »Erzählen kann man viel«, gab ich ihr zu bedenken, »was weißt du denn wirklich von David?«
    »Ich weiß, dass er gut zu mir ist«, sagte sie einfach. Das ließ mich verstummen.
    Meine beiden Küchenhelfer begrüßen die drei Neuankömmlinge mit großem Jubel.
    »Ran ans Werk!«, befiehlt Gudrun und drückt Marcel das Fleischermesser in die Hand. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Marcel legt das Messer neben dem fertigen Kalbsbraten ab, der in Scheiben geschnitten meine spezielle Grapefruit-Rosmarin-Honig-Kapern-Tonnato-Soße begleiten soll.
    »Ich muss mir wohl mal zuerst die Hände waschen«, bemerkt er und stutzt, als er mich sieht.
    »Arbeitsunfall?«, fragt er besorgt, greift nach meinem Arm und streichelt ihn zur Begrüßung oberhalb des Verbandes.
    »Verbrannt«, erwidere ich.
    »Ich habe schon Herrn Schmitz angerufen«, versichert Gudrun eilig.
    »Gut gemacht«, sagt Marcel nickend. »Wann?«
    »Ganz früh heute Morgen, kurz nachdem
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