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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche
Autoren: Martina Kempff
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damit zu tun?«
    »Nichts«, sage ich, »das war ein anderer Mord.«
    »Was denn, gleich zwei Morde auf der Kehr?«
    Sie ist lange nicht mehr hier gewesen.
    »Nein«, antworte ich und setze besten Gewissens hinzu: »Die beiden Männer sind ganz woanders umgebracht worden. Aber einen davon hat Patti gekannt.«
    »Erzähl mir alles«, bittet Mathilde. »Aber nicht hier. Zu laut für meine alten Ohren.«
    Ich reiche ihr die Krücken und gehe mit ihr in die Küche. Wo wir auf Gudrun stoßen, die gerade eine Portion kleiner Teigrollen in den Ofen schiebt.
    »Was ist das?«, frage ich.
    »Oh, Katja«, begrüßt sie mich voller Entsetzen und lässt den Ofenhandschuh fallen. »Wir haben gedacht … weil David doch … wir können doch nicht einfach zumachen … und Hein ist auch … der will übrigens zurück nach Köln, ist das nicht furchtbar, setz dich doch, hier ist ein Stuhl, Mutter.«
    Gudruns letztes Wort überwältigt mich.
    Nie zuvor in ihrem Leben hat sie einen Menschen Mutter nennen dürfen. Ich hebe den Ofenhandschuh auf und frage mit erstickter Stimme, was zum Teufel sie denn in den Teig gerollt habe.
    »Was noch da war«, antwortet sie eilig. »Rindfleisch, habe ich in Streifen geschnitten, Süßkartoffeln, Äpfel, Pekannüsse, Honig, Ziegenkäse, und dann habe ich noch frische junge Brennnesseln gepflückt …«
    »Wunderbar«, erkläre ich. »Jetzt geh rein und hüpf, damit du für Pfingsten in Form kommst. Ich pass schon auf, dass hier nichts anbrennt.«
    »Du bist nicht böse, dass wir einfach wieder aufgemacht haben?«
    »Nein, Gudrun, das habt ihr ganz prima gemacht. Das Leben geht weiter.«
    »Genau.«
    »Das Leben geht weiter«, sagt auch Mathilde Quirk, als ich am Ende von Pattis Leidensgeschichte angelangt bin. »Mit ordentlicher professioneller Hilfe wird es das Mädchen hoffentlich schaffen. Moment mal …« Sie legt den Kopf zur Seite, um besser hören zu können, und deutet zum Fenster. »War da nicht was?«
    Jetzt höre ich das Klopfen auch. Ich öffne das Fenster.
    »Guten Abend«, sagt Patti. An den Sims geklammert stellt sie sich auf die Zehenspitzen und schaut hinein. Mathilde Quirk winkt ihr zu.
    »Komm doch rein«, fordere ich das Mädchen auf.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Zu laut«, sagt sie. »Zu viele Menschen.«
    Sie spricht mir aus dem Herzen.
    »Ich wollte nur Danke sagen und mich von Ihnen verabschieden.«
    »Wo gehst du denn hin?«, frage ich beunruhigt.
    »Zu der Pia«, sagt sie.
    »Die ist doch im Krankenhaus.«
    »Nicht mehr, sie ist heute Nachmittag in die Psychiatrie verlegt worden«, antwortet Patti. »Ich muss los.« Sie nickt hinter sich, wo ich einen vertrauten Wagen sehe. Der Motor läuft.
    »Da sitzt Ihr Polizist drin«, erklärt Patti.
    Ich beuge mich weit aus dem Fenster und winke.
    Marcel blendet zweimal auf, bleibt aber im Wagen sitzen.
    »Herr Langer bringt mich zu Pia. Wahrscheinlich muss ich auch erst mal in die Geschlossene. Aber das macht nichts. Ich will mich nicht mehr ritzen. Wir müssen richtig gesund werden. Das geht nur zusammen.«
    »Viel Glück, Patti«, sage ich.
    »Tschö, denn«, sagt sie und lässt den Sims los.
    Ich drehe mich zu Mathilde Quirk um.
    »Warum lasse ich sie einfach so gehen?«, frage ich hilflos. »Warum fällt mir nichts anderes ein, als ihr Glück zu wünschen?«
    Mathildes Antwort höre ich nicht.
    Weil ich mein Santoku-Messer auf dem Fenstersims sehe.
    Sprachlos hebe ich es auf und halte es wie einen Schlachtengruß Mathilde Quirk entgegen.
    Sie begreift schneller als ich.
    »Freu dich, dass es wieder da ist«, sagt sie. »Es war bestimmt sehr teuer.«
    »Aber …«
    »Nein, Katja, lass es ruhen. Du wusstest es doch die ganze Zeit. Sie wohnt auf einem Gnadenhof, sagst du?«
    »Wohnte«, murmele ich.
    »Sei gnädig.«
    »Marcel hatte also doch recht: Petra Prönsfeldt geht für ihre Tochter ins Gefängnis!«
    Davids Mutter erhebt sich von dem Stuhl, den ihr Gudrun vorhin zugeschoben hat. Sie stützt sich auf meiner von der Gewerbeaufsicht genehmigten stahlkalten Anrichte ab, arbeitet sich zu mir vor und schließt das Fenster. Mit einer unendlich zärtlichen Gebärde zieht sie meine erhobene Hand nach unten, nimmt mir das Messer ab, stopft es tief in den Eimer für den Restmüll hinein und sagt leise: »Ach, Kind, du hast es ja eben gehört. Jeder Mensch sucht sich sein Gefängnis selbst aus.«

Ich danke
     
    den üblichen Verdächtigen, die mich schon bei den beiden anderen Kehr-Krimis beraten und unterstützt haben; vor allem
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