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Dunkle Reise

Dunkle Reise

Titel: Dunkle Reise
Autoren: David Luckett
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KAPITEL 1
    »Du brauchst da nicht mitzumachen«, bemerkte ich zu Silvus, als ich vom Pferd stieg – ein Vorgang, der sich durch Unbeholfenheit auszeichnete. Das Pferd war ein großer Fuchswallach, prachtvoll, wie es sich für einen vornehmen Herrn geziemte, und etwas nervös wegen der Fackeln, die im Nachtwind flackerten. Außerdem behinderte mich die alberne Hoftracht, die ich trug.
    Silvus grunzte nur und saß mit viel mehr Leichtigkeit und Eleganz ab, als ich es getan hatte, obwohl er mir zwanzig Jahre voraus und noch prunkvoller gekleidet war. Im Gegensatz zu mir war er eben ein geborener Edelmann. Obwohl er sich redliche Mühe gegeben hatte, meine Haltung auf einem Pferd zu verbessern, war ich noch immer ein schlechter Reiter und mir dessen bewusst.
    Ein Diener, prächtig in Fürst Nathans schwarzgelber Livree, nahm uns die Zügel ab. Wir standen mit all den anderen – Adligen, Rittern, Knappen und Bürgern – auf dem dunklen Platz vor dem Tempel von Tenabra, festlich gekleidet.
    »Wie gesagt, du musst nicht«, beharrte ich. »Du hast deinen Titel zurückgewonnen.«
    Das stimmte. Silvus, dessen Vater so töricht gewesen war, mit Nathans Vater zu streiten, ob dieser das Recht habe, sich Fürst des Stromlandes zu nennen oder nicht, war die meiste Zeit seines Lebens einfach ›Castro‹ gewesen. Nun aber hatte er den Adelstitel ›de‹ zurückerhalten. Er war Ser Silvus de Castro, vom Fürsten zum Kommandeur des Ordens vom Goldenen Speer ernannt.
    Wir hatten eine Augenblick Zeit und waren inmitten der schwatzenden, wartenden Menge einigermaßen ungestört. Die Türen des Tempels waren noch geschlossen. Fürst Nathan ließ auf sich warten.
    Silvus zupfte an seinem goldgelben, schwarz gefütterten Ordensumhang; etwas wie Abneigung lag in der Geste. »Gewiss, ich wollte meinen Titel. Aber ich wollte ihn, weil er mir von Rechts wegen zusteht, nicht weil ich Nathan zu Diensten war. Und ich würde ihn nicht lange behalten, wenn ich mich dieser Sache entzöge.«
    Ich konnte nur mit der Schulter zucken. »Es nützt nichts, dich zu beklagen, dass Nathan derjenige ist, der dir dein Geburtsrecht wiedergibt. Er ist der Einzige, der es tun konnte, nicht wahr?«
    Silvus zuckte seinerseits die Achseln. »Ich weiß. Er hat auch dich in den Adelsstand erhoben und machte dich zu einem Ritter seines Ordens. Genau wie unseren Freund Georghe dort. Wie findest du das?« Er nickte zum Tempeleingang. Drei Stufen über uns stand Georghe Barras, vielmehr de Barras. Und Georghe trug den gleichen Umhang wie wir und dazu einen feinen Hut. Er schaute gelangweilt drein.
    Ja, gut. Richtig. Offiziell war ich ein Gefährte und Ordensbruder des Chefs der fürstlichen Garde, eines skrupellosen und verschlagenen Gewaltmenschen, dem ein Leben nicht viel bedeutete. Ich bemühte mich, nicht über die Ehre nachzudenken, die mir zuteil geworden war.
    Die Tempelfassade ragte vor uns auf, dunkel und finster in den Schatten, bleich und flackernd im Fackelschein. Ich mochte auch nicht über den Anlass nachdenken, der uns hierher geführt hatte; es war etwas, das nur bei Dunkelheit getan werden konnte.
    Nun erschien Fürst Nathan, angekündigt von seinen Herolden, umgeben von seinem Gefolge. Er scherzte mit einem Höfling, stieg mit natürlicher Anmut vom Pferd und schüttelte lächelnd den Mitgliedern des Priesterkollegiums, die sich zu seiner Begrüßung eingefunden hatten, die Hände.
    Auch er trug den Umhang eines Kommandeurs seines Ordens, doch war seiner mit Goldfäden durchwirkt und mit Hermelin gesäumt. Ich blickte an meinem eigenen Aufzug hinab und bemühte mich, auch daran nicht zu denken. Es gab zu viele Dinge, an die ich nicht denken mochte.
    Nun formierte sich die Prozession, voran die Priester, hinter ihnen die Laien, angeführt vom Fürsten. Wir mussten uns zu beiden Seiten aufstellen, um eine Gasse für ihn zu bilden und uns dann der Prozession anzuschließen. Aber als er an uns vorbeikam, machte er Halt. Es sah aus, als hätte er Silvus seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der Fürst hatte jetzt seine religiöse Miene aufgesetzt, feierlich, ruhig. Er nahm Silvus bei der Hand und sprach vorgebeugt in sein Ohr, doch gelang es mir, die Worte aufzufangen.
    »Kommen Sie anschließend zu mir. Jauncy hier wird Sie abholen.«
    Es war ein geschäftsmäßiges Zischeln. Er nickte Silvus schwermütig zu und ergriff seine Hand, als sei er nahe daran, von seinen Gefühlen überwältigt zu werden, dann ließ er sie los und setzte den Weg die Stufen
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