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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche
Autoren: Martina Kempff
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großen Tisch mitten im Restaurant, und ich habe alles aufgefahren, was gegessen werden muss, bevor es verdirbt.
    Mathilde Quirk erweist sich als sehr humorvolle und resolute Dame. Als David sie gestern angefleht hatte, doch bitte nicht ins Flugzeug zu steigen, war sie schon längst in Frankfurt angekommen. Am Nachmittag überraschte sie ihren Sohn im Krankenhaus. Und wurde ihrerseits von Davids Neuigkeiten überrascht.
    »Heute sehe ich meinen Enkel!«, ruft sie. »Und Davids Frauen.« Sie bricht in Gelächter aus. »Früher war er so schüchtern«, erklärt sie. »Ich dachte, er findet nie eine Frau. Und jetzt hat er gleich zwei.«
    Ich erwäge, sie über die wahren Verhältnisse aufzuklären, aber das hat David schon längst getan. Mathilde freut sich auf Gudrun.
    »Die braucht gewiss viel Liebe«, sagt sie, »bei dem Vater, den sie hatte.«
    Das weiß Mrs. Quirk also auch schon. Oje.
    »Es ist für Sie bestimmt nicht leicht …«, beginne ich um den heißen Brei herumzureden. Davids Mutter legt begütigend eine Hand auf meinen Arm.
    »Es war nicht leicht«, sagt sie ernst. »Bis ich begriff, dass Hass die Seele vergiftet. Du darfst nie in die Hölle zurückschauen. Sonst verschluckt sie dich.«
    Freundlich blickt sie zu Patti hinüber.
    »Die Nazis haben meine Familie ausgelöscht«, erklärt sie ihr. »Gute Menschen haben mich damals gerettet. Auch in einer schlechten Welt findest du gute Menschen. Wenn du die Augen aufmachst. Und dein Herz. Du darfst die Hoffnung nicht verlieren. Und vor allem dich selbst nie aufgeben.«
    Patti bricht in Tränen aus.
    »Sie hat auch in die Hölle geschaut«, flüstere ich der bestürzten Mathilde zu. »Und im Moment hat sie wenig Hoffnung.«
    Davids Mutter vergisst ihr Gipsbein. Sie steht auf, geht um den Tisch und plumpst auf den Stuhl neben Patti. Sie tut, was ich den ganzen Morgen gern getan hätte, aber aus einem mir unerklärlichen Grund nicht getan habe. Sie nimmt das Mädchen in die Arme. Patti klammert sich an die dünne alte Dame und heult ihr die Seidenbluse nass. Mathilde streichelt ihr den Rücken und sieht mich über ihren Kopf hinweg fragend an.
    Ich hebe resigniert Hände und Augenbrauen. Für das, was dieses Mädchen hinter sich hat, können meine Lippen kein Wort formen.
    Marcel kommt, um Patti abzuholen. Ich stelle ihm Davids Mutter vor.
    »Ein hübscher Mann«, sagt sie und schmunzelt mir zu, als hinter den beiden die Tür der Einkehr ins Schloss fällt, »gar nicht polizistlich. Der Krawattenknoten ist ganz schief. Der Schnurrbart auch. Und die Haare stehen ab. Cute . Und er war sehr nett zu dem Mädchen. Sag, Katja, was will die Polizei von ihr? Die traurige kleine Patti hat doch bestimmt nichts Schlimmes getan!«
    »Ihr ist sehr Schlimmes angetan worden«, sage ich ausweichend. »Und vielleicht hat sie deshalb auch etwas Schlimmes getan. Es ist eine lange und entsetzlich böse Geschichte. Sie würde Ihnen an die Nieren gehen.«
    »Ich will sie hören«, erklärt Mathilde bestimmt. »Aber dann brauche ich ein Glas Sekt für meinen Kreislauf. Hast du einen?«
    »Das hier ist ein Restaurant«, entgegne ich auf dem Weg in die Küche.
    »Aber geschlossen«, ruft sie mir hinterher. »Weil mein Sohn nicht hier ist.« Sie wartet, bis ich mit der Flasche zurückkehre, strahlt mich an und sagt: »Ach, Katja, ich bin so froh, dass David wieder arbeitet. Dass er seinen alten Job wieder hat.«
    »Er hat einen Job?«, frage ich überrascht, während ich den Sektkorken von seinem Draht befreie. Endlich werde ich die Wahrheit über Davids Vergangenheit erfahren.
    In meinem Kopf arbeitet es. Ist David im Krankenhaus von seinen früheren Auftraggebern aufgesucht worden? Oder einem alten Kumpel begegnet? Einem aus den Tagen des Kalten Krieges? Der ihn für neue geheime und gefährliche Aufgaben rekrutiert hat? Die arme Gudrun, wenn er nun nach Afghanistan muss!
    »Du machst mir Witze«, lacht Mathilde Quirk. Mit einem Mal verdüstert sich ihr Gesicht. »Oder feuerst du ihn, weil er krank ist? Es war furchtbar für ihn, als er damals seine Arbeit bei der Army am Schwarzen Mann verloren hat. Der Job war sein Leben.«
    Atemlos frage ich, was denn dieses Leben ausgemacht habe.
    Sie mustert mich kopfschüttelnd.
    »Kochen, natürlich«, sagt sie. »Deswegen hast du ihn doch auch eingestellt. Du hast sein Talent erkannt. Er ist ein wundervoller Koch, ein richtiger Künstler! All die Figuren, die er aus Radieschen machen kann. Niemand schält Kartoffeln so fein wie er. Niemand
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