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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche
Autoren: Martina Kempff
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Schlimmeres«, gibt sie mir ohne ein Lächeln meine Worte zurück. Eilig setzt sie hinzu:
    »Möchten Sie nun die Hühner adoptieren?«
    »Wie viele habt ihr denn?
    »Weiß nicht genau, dreißig, vierzig. Und einen Hahn.«
    »Natürlich. Und was habt ihr denn noch für Tiere?«
    »Vier Pferde, ein Muli, einen Pfau, zwei Kühe, sieben Hunde, neun Katzen, ein Schaf, fünf Schweine und ein paar Gänse. Sind Sie an einem Hund interessiert?«
    »Da hätte Linus bestimmt was dagegen.«
    »Ist das Ihr Mann?«
    »Nein, mein Hund.«
    Mit Karacho fährt ein Wagen in den Hof. Der belgische Jeep hält mit quietschenden Reifen. Erschrocken starrt Pia auf die Aufschrift Polizei und greift nach dem Eiertablett.
    »Es ist nicht verboten, Hühner zur Adoption freizugeben«, beruhige ich sie und treffe rasch eine Entscheidung.
    »Gib mir die Eier«, sage ich und nehme dem Mädchen die Nachkommenschaft meiner künftigen Adoptivschar ab. Die Menschen auf der Kehr sollten einander beistehen. Und natürlich auch Geld in meinem Restaurant lassen. Ich verbuche die Sache unter Nachbarschaftshilfe mit Eigenwerbung. Zudem ist es praktischer, Eier ins Haus geliefert zu bekommen, als sie im Auto selbst zu transportieren.
    »Ich bring euch das Geld morgen vorbei und schau mir meine Hühner an«, sage ich. »Außerdem lade ich die gesamte Familie« – beinahe hätte ich gesagt alle Pees – »zur Eröffnung ein. Sag das bitte deinen Eltern.«
    Pia nickt und huscht davon, bevor Marcel seinem Auto entstiegen ist. Der Polizeiinspektor aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, kurz DG genannt, ist zwar mein Freund, aber als meinen Lebensgefährten betrachte ich ihn nicht. Mit Gewichtigkeit kenne ich mich aus, und eine solche Bezeichnung würde zu schwer auf unserer fragilen emotionalen Beziehung lasten.
    »Tach, wer war die denn?«, fragt er und schaut dem rennenden Mädchen hinterher.
    »Eine spät pubertierende Eifelerin, die an meine Mutterinstinkte appelliert hat«, sage ich, »erkläre ich dir nachher.«
    Andere Paare fallen sich bei der Begrüßung um den Hals. Uns überkommt das nur, wenn einer von uns beiden gerade knapp dem Tod entronnen ist, also eher selten. Ein Wiedersehensritual der Zärtlichkeit haben wir nicht entwickeln können. Das mag unserem Alter geschuldet sein – Marcel wird die fünfzig auch demnächst überschreiten –, aber vermutlich hat das eher mit jenem Selbstschutz zu tun, den wir uns beruflich und privat angeeignet haben. Wenn man so unterschiedliche Leben führt wie wir, weiß man nie, in welcher Verfassung man den anderen bei der nächsten Begegnung antrifft. Vor allem, da wir einander drei Tage weder gesehen noch gesprochen haben. Ein sehr verzwickter Fall erfordere seine ganze Aufmerksamkeit, hatte Marcel gesagt, und ich weiß, wie übel gelaunt ihn schlecht laufende Ermittlungen machen können. Er wiederum weiß, welchem Stress ich vor der Restauranteröffnung ausgesetzt bin und wie unleidlich ich werden kann, wenn etwas nicht nach meinen Vorstellungen läuft. Solche Bedenken stehen einer spontanen Umarmung im Wege. Stattdessen sondiert man die atmosphärische Lage und äußert vorsichtshalber erst mal konstruktive Kritik.
    »Das Schild hängt schief«, bemerkt Marcel und weist nach oben.
    »Sage ich ja«, stimme ich ihm zu. »Alles muss man hier selbst machen.«
    Ihn anziehen auch, denke ich, trete näher an ihn heran und berühre entgeistert einen bunten Hemdknopf.
    »Habe ich selber angenäht«, bemerkt er stolz. »Sie gleichen der Hemdfarbe am ehesten.«
    »Sie sind orange.«
    »Die Verkäuferin hat gesagt, sie könnten als aubergine durchgehen.«
    »Immer wieder erstaunlich, was bei euch in Belgien so alles durchgehen kann«, murmele ich.
    Die schrecklichen Knöpfe sehe ich gar nicht mehr, als wir mit Gudrun und David bei Hein und Jupp am üppig gedeckten Tisch sitzen und über mein Restaurant, über Hühneradoptionen und die Familie Pee reden. Ich sehe etwas anderes. Verstohlene Blicke, die Marcel auf den Wandkalender dieses Schwulenhaushalts wirft. Er nimmt an unserem Gespräch überhaupt nicht teil, sondern starrt immer wieder auf das Foto eines nur mit einem Lendenschurz ziemlich unzureichend bekleideten jungen Muskelpakets mit Kussmund und keck aufgesetztem Bauarbeiterhelm, unter dem ein paar blonde Haarsträhnen dekorativ hervorlugen. Zugegeben, ein knackiger Knabe, aber was fasziniert meinen Freund an ihm?
    »Amalie«, sagt Hein. »Das ist doch ein schöner Hühnername. Oder Feodora, Luzinda,
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