Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
sich entlanggeschleppt hatte, war der Boden verbrannt. McBride war nur noch eine schwarze Gestalt, die Hände zu Klauen verformt. Er hatte sie in den Lehm gegraben, als hätte er versucht, den Überhang nach Gott weiß wo hinaufzuklettern oder sich vielleicht hindurchzuwühlen.
     
    Sie überquerten die Straße in Richtung Gefängnis, Sunset mit dem Gewehrlauf in Hillbillys Rücken und Clyde mit Lee auf den Armen. Sie steckten Hillbilly zu Plug in die Zelle, und Clyde legte Lee auf die Pritsche in der Zelle daneben. Dann rief er den Arzt, der kam, sich Lee ansah und sagte, es sehe schlecht aus.
    »Er muss ins Krankenhaus«, fuhr der Arzt fort. »Vielleicht muss man das Bein abnehmen. Ich bin dafür nicht ausgerüstet.«
    »Ich brauche das Bein noch«, protestierte Lee, dessen Gesicht schweißüberströmt war.
    Der Arzt, ein kleiner fetter Mann, der ein kariertes Hemd und eine Hose trug, die aussah, als müsste sie mal wieder gewaschen werden, erwiderte: »Ja, aber es wird vielleicht nicht mehr viel mit ihnen anfangen können. Ich werde den Knochen so gut wie möglich richten, aber wir müssen Sie unbedingt nach Tyler schaffen. Da gibt es Leute, die können so was besser als ich. Das ist kein glatter Bruch. Der Knochen ist völlig zersplittert.«
    »Wir bringen dich nach Tyler zum Arzt, Daddy«, versicherte ihm Sunset. »Vielleicht kann er es ja retten.«
    »Wenn ich viel dran herumpfusche, dann mit Sicherheit nicht.«
    »Können Sie ihn nach Tyler fahren?«, fragte Sunset.
    »Ja«, erwiderte der Arzt. »Aber das kostet was.«
    »Er ist mein Deputy.«
    »Er ist Ihr Vater.«
    »Er ist trotzdem stellvertretender Constable. Sorgen Sie dafür, dass er dorthin kommt. Schicken Sie die Rechnung an Camp Rapture ... oder besser gleich an Holiday. Und geben Sie ihm etwas gegen die Schmerzen.«
    »Um Himmels willen, tun Sie das«, stimmte Lee zu. »Ziehen Sie mich aus dem Verkehr. Egal wie. Hauptsache, es wirkt.«
    »Daddy«, sagte Sunset, der es von Mal zu Mal besser gefiel, ihn so zu nennen. »Glaubst du noch an das, was du gesagt hast, dass alles im Universum ineinandergreift und alles darin Teil eines größeren Ganzen ist?«
    »Nicht so ganz.«
    »Was machen wir mit den beiden?«, fragte Clyde und nickte in Richtung Plug und Hillbilly.
    »Die überlassen wir dem Gesetz«, antwortete Sunset.
    »Es gibt kein Gesetz mehr.«
    »Heute schon. Nämlich dich. Bleib, bis uns was einfällt. Ich sehe nach, wie es Karen geht.«
    »Und dann?«
    »Das überlegen wir uns, wenn es so weit ist.«
     
    Sobald alles erledigt und Lee mit dem Doktor auf dem Weg nach Tyler war, nahm Sunset sich den Schlüssel für den Wagen des Sheriffs, ging hinaus, wischte die Insekten von der Windschutzscheibe und stieg ein. Sie saß da und dachte darüber nach, dass Clyde und sie unverletzt geblieben waren, während es ihren Dad schwer erwischt hatte, und das, obwohl er die Wohnung gar nicht erst betreten hatte. Und Bull. Armer Bull. Er war tot, und sie selbst hatte nur ein paar Kratzer abbekommen und ein paar Schrotkügelchen hinten in den Fersen, die sie mit einer Pinzette herausziehen konnte.
    Sie blickte auf die Reste des Feuers auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Feuerwehr, die nicht viel hermachte, versuchte, Ordnung zu schaffen, aber die meiste Zeit rannten die Jungs nur um ihren Feuerwehrwagen herum und fluchten. Es war ihnen gelungen, das Gebäude mit einer Menge Wasser aus ihrer großen roten Maschine zu fluten, aber was noch von der Wohnung und der Drogerie übrigblieb, waren nichts als verkohlte Bretter, die man mit einem Stock hätte umrühren können.
    Sie dachte über Bull nach, der dort drin verbrannt war, und das erinnerte sie an die Geschichte, die sie über griechische Helden gehört hatte, die man auf Holzstapel gelegt und verbrannt hatte, damit ihre Seelen in Rauch und Flammen aufgingen.
    Auf dem Weg nach Hause sah Sunset, dass der Himmel wieder klar war und nur eine Krähe ihre Kreise zog. Die Bäume, das Gras und alles, was einmal grün gewesen war, gab es nicht mehr – als wäre die Farbe Grün nur ein Traum gewesen. Jetzt, wo der Sturm aus Flügeln und Beinen verschwunden war, blieb nur noch Trostlosigkeit zurück. Selbst die Rinde des Hartholzes war weggefressen worden. Überall lagen tote Heuschrecken, Opfer von Zusammenstößen und Kämpfen mit ihren hungrigen Artgenossen.
    Sie fuhr, bis sie ihren Wagen entdeckte. Er stand mit offener Fahrertür neben der Straße. Sunset hielt in der Nähe, griff nach der Schrotflinte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher