Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
KAPITEL 1
     
     
    An jenem Nachmittag regnete es Frösche, Flussbarsche und Elritzen, und Sunset stellte fest, dass sie eine Tracht Prügel genauso gut einstecken konnte wie Drei-Finger-Jack. Im Gegensatz zu Jack, dem seine Abreibung bei strahlendem Sonnenschein verpasst worden war, kassierte sie ihre in ihrem eigenen Haus auf dem eiskalten Holzboden, während ein Zyklon an den Fenstern rüttelte und das Dach abhob.
    Sie lag auf dem Rücken und hatte nur noch das Oberteil ihres Kleides an, weil Pete, während er auf sie eindrosch, daraufgetreten war und dabei die untere Hälfte abgerissen hatte, die so fadenscheinig war wie ein Wahlversprechen. Ihr schoss der Gedanke durch den Kopf, dass sie jetzt bloß noch zwei Kleider besaß und dass sie gerade dieses nur ungern verlor, weil es – obschon ausgebleicht – ein schönes Blumenmuster hatte, auf dem Flecken nicht so auffielen.
    Aber das war nur ein flüchtiger Gedanke. Vor allem überlegte sie fieberhaft, wie sie ihn dazu bringen konnte, sie nicht mehr zu schlagen. Sie hatte versucht, seine Schläge mit erhobenen Händen abzuwehren, aber er hatte so fest auf sie eingedroschen, dass sie ihr ins Gesicht klatschten und fast so viel Schaden anrichteten, als hätte er ihr die Faust hineingerammt.
    Schließlich hatte er sie zu Boden gestoßen, sich auf sie geworfen, ihr die Beine auseinandergedrückt und ihr den Rest der Kleidung vom Leib gerissen. Als er ihr das Oberteil und den Büstenhalter zerfetzte, sagte er lallend: »Da sind ja meine Tittchen.« Sein Atem war eine einzige Alkoholfahne. Dann zerrte er an ihrer Unterwäsche, bis sie riss, und warf sie zur Seite. Als Nächstes öffnete er seinen Waffengurt und schmiss ihn neben sich auf den Boden. Während er am Reißverschluss seiner Hose herumnestelte, um das Maultier in die Scheune zu treiben, streckte Sunset die Hand aus, zog seinen .38er Revolver aus dem Holster, drückte ihm den Lauf, ohne dass er das mitbekam, gegen den Kopf und jagte ihm eine Kugel in die Schläfe.
    Der Schuss war so laut, als hätte Gabriel sie mit einem Fanfarenstoß direkt in den Himmel hinaufgeschleudert, dabei war es Pete, der die Reise nach oben antrat. Oder wohin auch immer. Sunset gefiel der Gedanke, dass er einen Platz in der Hölle zugewiesen bekam, direkt neben dem Ofen. Aber im ersten Moment schrie sie einfach nur laut auf, als hätte die Kugel sie getroffen oder als hätte man ihr nach der Geburt einen Klaps auf den Hintern gegeben.
    Pete erschlaffte – nicht nur in dem Organ, das er soeben hatte zum Einsatz bringen wollen, sondern am ganzen Körper. Er gab nicht einen Laut von sich. Kein »Autsch«, kein »Ach du Scheiße«, kein »Ist das zu fassen?« – Dinge, die er unter normalen Umständen gern sagte, wenn er von etwas überrascht wurde oder unter Druck stand. Er kassierte einfach die volle Ladung, ließ einen Furz fahren, der fast so laut war wie der Schuss, sackte vornüber und schwang sich auf das schwarze Pferd des Todes.
    Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie ihr Kleid, ihre Unterwäsche und ihre Würde verloren hatte, klirrten jetzt die Fenster auf der Ostseite wie die Ketten eines Schlossgespensts und zerbarsten; die Tür flog davon, als wäre sie nie mehr als ein lose zusammengefügtes Puzzle gewesen, und der Wind riss das Dach mit sich.
    Die Waffe immer noch in der Hand, lag sie auf dem Rücken, ihre Kleidung in Fetzen, an den Füßen ihre alten, flachen Schuhe, in der Schulter ein Stück Fensterglas. Pete lag schwer wie ein nasser Sack auf ihr. Wo die Kugel eingetreten war, befand sich ein kleines Loch, aber ein großes Austrittsloch, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, konnte sie nirgendwo entdecken. Vermutlich war die Kugel in seinem Schädel herumgerast und hatte seinen Inhalt zu Gelee verarbeitet. Aus der Wunde und aus seiner Nase sickerte Blut und tropfte ihr auf die Brust.
    Sie schob ihn von sich runter und sah ihn an. Keine Frage – davon würde er sich nicht wieder erholen. »Da hast du wohl nicht mit gerechnet, was?«, sagte sie.
    Sie betrachtete ihn eine Zeit lang, und dann fing sie plötzlich an zu schreien, als steckte in ihr eine Todesfee. Aber schon im nächsten Zimmer hätte man ihre Schreie nicht mehr gehört. Sie waren laut, aber der Sturm war lauter. Das Haus bebte, knarrte, knirschte und quietschte.
    Und dann wurde alles, bis auf den Boden, zwei hässliche Sessel, einen gusseisernen Herd, Sunset und den Toten hochgesogen und innerhalb von Sekunden über das ganze Land
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher