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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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die auf dem Sitz lag, und stieg aus. Inzwischen war es später Morgen, und es war heiß, aber ihr fröstelte eher, als sie sich an ihrem Auto entlangschlich und hineinspähte. Außer getrocknetem schwarzem Blut auf dem Fahrersitz war nichts zu sehen.
    Langsam ging sie die Straße hinunter und sah nach rechts und links. Unter ihren Füßen knirschten tote Heuschrecken. Schließlich entdeckte sie ihn. Er saß mit dem Rücken an eine große Pinie gelehnt, die keine Nadeln mehr hatte. Seine Hände ruhten auf den Schenkeln, und er starrte sie an. Seine Melone lag mit der Oberseite nach unten auf dem Boden. Vorne auf seinem Hemd hockten so viele Fliegen, dass es aussah, als hätte er eine Weste an. Den Gehrock hatte er über die Schultern zurückgeschoben, als hätte er ein bisschen frische Luft gebraucht. Die Narbe auf seinem Kopf wirkte schlecht verheilt. Sie stand hervor, als befände sich in seinem Schädel gerade ein Hufeisen, das dabei war, sich an die Oberfläche zu arbeiten.
    Sunset hielt die Schrotflinte weiter auf Two gerichtet und ging langsam auf ihn zu. Als sie über ihm stand, stob seine Weste aus Fliegen hoch und flog davon. Sie sah, dass ein Teil seiner Unterlippe abgebissen war, und dachte: Gut gemacht, Bull. Ein leichter Schleier lag über seinen starren Augen, und auf dem einen saß eine Fliege.
    »Ich glaube, ihr beide seid tot«, sagte Sunset.

KAPITEL 37
     
     
    Sie begruben Goose auf demselben Friedhof, auf dem auch Pete und Jones und Henrys Frau lagen. Seinen Nachnamen kannten sie nicht, und da er seinen Vornamen nicht gemocht hatte, schrieben sie auf das hölzerne Kreuz: goose. ein braver junge. Lee konnte an der Beerdigung nicht teilnehmen, aber er schrieb in seinem Krankenhausbett ein paar Worte auf, und Sunset las sie vor. Es waren einfache, nette Bibelzitate.
    Ben wurde auf Sunsets Grundstück begraben, in der Nähe der großen Eiche, unter der er so gern gelegen war. Über diesem Grab sprach Sunset ein paar Worte, die von ihr selbst stammten: »Jetzt bist du zu Hause, alter Junge.«
    Zwei Wochen später fuhr Sunset in ihrem von den Heuschrecken verbeulten Wagen zu Marilyn. Sie fuhr an Bill und Don vorbei, die mit den Maultieren arbeiteten, an anderen, die mit Ochsen unterwegs waren, die Lastwagen fuhren oder dies und das taten. Es gab eine Menge Bäume, die verarbeitet werden mussten. Die kurze Herrschaft der Heuschrecken hatte einer großen Anzahl den Garaus gemacht, und sie wurden schnell und ungestüm gefällt, in die Mühle gebracht, auf das Fließband gepackt und durch die Säge gejagt.
    Bill sah von der Arbeit hoch, als Sunset vorbeifuhr. »Sie geht nicht gut mit dem Auto um. Schau, es hat überall Beulen.«
    Don nickte. »Aber sie selbst sieht nicht schlecht aus, findest du nicht auch?«
    »Da muss ich dir zustimmen. Ich kann sie zwar nicht leiden, aber davon wird sie nicht hässlicher. Und Mumm hat sie ... was sie da gemacht hat, sie und dieser Clyde. Schon als ich diesen Hillbilly das erste Mal gesehen hab, hab ich gewusst, dass der nicht das Schwarze unterm Fingernagel wert ist.«
    »Nichts hast du gewusst«, widersprach Don.
    »Oh doch. Ich hab nur nichts gesagt.«
    »Pass auf die Maultiere auf«, entgegnete Don.
     
    Sunset fuhr an der Mühle vorbei auf Marilyns Hof. Sie ging zur Veranda hinauf und klopfte. Während sie wartete, betrachtete sie den Sägemehldunst über der Mühle und lauschte dem Krach der großen Säge.
    Lächelnd öffnete ihr Marilyn die Tür. In ihrem weißen Hauskleid mit den blauen Mustern sah sie großartig und jung aus. »Schön, dich zu sehen, Sunset. Nach all dem, was passiert ist, habe ich dich kaum mehr zu Gesicht bekommen. Und schick gemacht hast du dich. So ein hübsches Kleid.«
    »Das habe ich in Holiday gekauft. Ich wollte etwas Grünes haben, nachdem es hier kaum noch Grün gibt.«
    »Ich habe noch nie gehört, dass Heuschrecken sich so aufführen. Jedenfalls nicht hier. Vielleicht in Nord- oder Westtexas oder in Oklahoma, aber hier – so was habe ich noch nie gehört.«
    »Sie hatten da oben schon alles kahlgefressen, also sind sie hier runtergekommen.«
    »Jetzt aber«, sagte Marilyn und stieß die Fliegengittertür auf. »Steh nicht auf der Veranda herum, meine Liebe. Komm rein.«
    Sunset trat ein und setzte sich. Es war derselbe Stuhl, in dem ihr Marilyn vor ein paar Wochen die saftige Ohrfeige verpasst hatte. Die große Uhr tickte wie immer vor sich hin.
    »Wo ist Karen?«, fragte Marilyn.
    »Bei Uncle Riley.«
    Marilyn ließ sich das einen
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