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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
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Aufsteigen zu helfen,
also führte sie das Pferd zum Wagen, kletterte hinauf und verbrachte einige
Minuten damit, das Pferd nahe genug an den Wagen zu bringen, um ein Bein über
seinen Rücken zu schwingen.
    Als sie schließlich oben saß,
wünschte sie, sie hätte es lieber nicht geschafft. Vom Rücken des Pferdes aus
war der Boden sehr weit entfernt und vor allem sehr, sehr hart. Sie fiel an diesem
Tag fünfmal hinunter und konnte jedesmal förmlich spüren, wie der Indianer und
sein widerspenstiges Pferd über sie lachten. Als sie sich zum sechsten Mal
anschickte, hinaufzuklettern, war sie wütend und so wundgeritten, daß sie hart
am Zügel zerrte, das Ohr des Pferdes packte und es einen Teufel nannte. Sie verwandte
dafür das deutsche Wort. Ein deutsches Ehepaar, das auf dem Weg nach
Pennsylvanien war, hatte es ihr beigebracht. Dann zog sie sich hoch und setzte
sich ärgerlich zurecht. Nach ein paar Minuten stellte sie fest, daß
Indianerpferde offensichtlich besser auf Härte als auf Furchtsamkeit
reagierten: Das Tier hatte aufgehört, zu tänzeln und zu buckeln, und fiel in
einen angenehmen Trab.
    Als sie an diesem Abend am
Lagerfeuer saß und zusah, wie ihr Vater das Abendessen bereitete, mußte sie
ständig hin und her rutschen, um den Druck auf ihr wundes Hinterteil zu
mildern. Ohne es zu wollen, begegnete sie dabei dem Blick von Schlafender Hund, den sie tunlichst vermieden hatte, seit das
Pferd wieder hinten am Wagen angebunden stand. Doch statt eine beschämende Bemerkung
über ihre mangelnden Reitkünste im Vergleich zu indianischen Mädchen zu machen,
blickte Schlafender Hund sie im flackernden Schein der Flammen ruhig an und
stellte eine gänzlich unerwartete Frage: »Was bedeutet dein Name?«
    »Was mein Name bedeutet?«
wiederholte sie nach kurzem Stutzen.
    Als er nickte, erklärte sie ihm, sie
sei nach einer Blume benannt, die in England, dem Heimatland ihrer Mutter, in
Küstennähe wachse. Er gab ein enttäuschtes Grunzen von sich, und Sheridan war
so verblüfft, daß sie ihn fragte: »Wie sollte ich denn deiner Meinung nach
heißen?«
    »Du keine Blume«, sagte er und
musterte ihr sommersprossiges Gesicht und ihre widerspenstigen Haare. »Du
Feuer. Flammen. Brennen hell.«
    »Was? Oh!«
erwiderte sie lachend, als sie begriff. »Du meinst, meine Haare sehen wegen
ihrer Farbe so aus, als stünden sie in Flammen?« Trotz seiner arroganten Art,
seiner abrupten Sprechweise und seines widerspenstigen Pferdes brachen in
Sheridan wie immer ihre natürliche Freundlichkeit und unstillbare Neugierde
durch, die es ihr unmöglich machten, länger als eine Stunde böse auf jemanden
zu sein. »Mein Papa nennt mich 'Karotte' wegen meiner Haare«, sagte sie
lächelnd. »Eine Karotte ist eine orangefarbene Frucht ... so wie ... wie
Getreide eine Frucht ist«, fügte sie hinzu. »Deshalb nennt er mich Karotte.«
    »Weiße Männer geben nicht so gute
Namen wie Indianer.«
    Sie behielt höflicherweise den
Hinweis für sich, daß es kaum besser war, nach einem Hund benannt zu werden als
nach einer Frucht, und erwiderte nur: »Was für einen Namen würde ein Indianer
mir denn geben?«
    »Flammenhaar«, verkündete er. »Wenn
du Junge wärst, dann 'Weise für Jahre'.«
    »Wie?« fragte
Sheridan verständnislos.
    »Du schon weise«, erklärte er ihr
ungeschickt. »Weise, aber nicht alt. Jung.«
    »Oh, es gefällt mir, weise genannt
zu werden!« rief Sheridan aus. Ihr früheres Urteil über ihn zählte nun nicht
mehr, und sie beschloß, ihn sehr gerne zu mögen.
    »Weise für Jahre«, wiederholte sie
und warf ihrem amüsierten Vater einen glücklichen Blick zu.
    »Du Mädchen«,
widersprach ihr Schlafender Hund und dämpfte ihr Entzücken mit seiner
männlichen Überheblichkeit. »Mädchen nicht weise. Ich dich nennen Flammenhaar.«
    Sheridan beschloß, ihn trotzdem zu
mögen, und ihre beleidigte Antwort, ihr Papa halte sie im Gegenteil für
äußerst klug, vorerst hinunterzuschlucken. »Flammenhaar ist ein sehr hübscher
Name«, sagte sie statt dessen.
    Da lächelte Schlafender Hund zum
ersten Mal, ein wissendes Lächeln, das ihn um Jahrzehnte verjüngte. Ihr wurde
klar, daß er sich ihres inneren Kampfes angesichts seiner Provokation bewußt
war. »Du weise für Jahre«, sagte er schließlich mit breitem Grinsen und nickte
ihrem Vater zu.
    Ihr Vater
nickte bestätigend zurück, und Sheridan fand, wie schon so oft, daß das Leben
wirklich ganz wundervoll war, und daß die Menschen, wie unterschiedlich sie
äußerlich
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