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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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Ich war in der sechsten Klasse, als ich zum ersten Mal ans Dreißigwerden dachte. Meine beste Freundin Darcy und ich hatten hinten im Telefonbuch einen ewigen Kalender gefunden, mit dem man jedes Datum in der Zukunft anschauen und mit Hilfe des kleinen Rasters herausfinden kann, welcher Wochentag es sein wird. Damals konnten wir es nicht erwarten, endlich Teenager zu werden. Also machten wir unseren dreizehnten Geburtstag im folgenden Jahr ausfindig, meinen im Mai und ihren im September. Meiner war am Dienstag, an einem Schultag. Ihrer war samstags. Ein kleiner Triumph – aber typisch. Darcy hatte immer mehr Glück als ich. Sie wurde schneller braun, ihr Haar war leichter zu kämmen, und sie brauchte keine Zahnspange. Ihr Moonwalk war besser als meiner, genau wie ihr Radschlag und ihr Handstandüberschlag (ich konnte überhaupt keinen Handstandüberschlag). Sie hatte eine bessere Sticker-Sammlung. Mehr Michael-Jackson-Buttons. Forenza-Pullover in Türkis, Rot und Pfirsich (von meiner Mutter bekam ich keinen einzigen – sie meinte, sie wären zu modisch und zu teuer). Und eine Fünfzig-Dollar-Jeans von Guess mit Reißverschlüssen an den Knöcheln (dito, fand meine Mutter). Darcy hatte zwei Ohrlöcher und Geschwister – auch wenn es nur ein Bruder war, war das immer noch besser, als Einzelkind zu sein wie ich.
    Aber zumindest würde ich eher dreizehn werden. Ich war ein paar Monate älter, und das würde sie niemals
aufholen. In diesem Moment beschloss ich, nach dem Wochentag meines dreißigsten Geburtstags zu schauen – in einem Jahr, das so weit entfernt war, dass es wie Science-Fiction klang. Er fiel auf einen Sonntag, und das hieß, dass mein hinreißender Ehemann und ich für diesen Samstagabend einen verantwortungsbewussten Babysitter für unsere zwei (möglicherweise drei) Kinder bestellen würden, und dann würden wir in einem schicken französischen Restaurant mit Stoffservietten essen und bis nach Mitternacht wegbleiben, sodass wir technisch gesehen meinen Geburtstag feiern würden. Ich hätte soeben einen wichtigen Prozess gewonnen – hätte irgendwie bewiesen, dass jemand unschuldig gewesen ist. Und mein Mann würde auf mich trinken:« Auf Rachel, meine wunderschöne Frau, die Mutter meiner Kinder und die beste Anwältin von Indiana.»Ich erzählte Darcy von meiner Phantasie, als wir herausfanden, dass ihr Geburtstag auf einen Mittwoch fiel. Ein Arbeitstag. Pech für sie. Ich sah, wie sie die Lippen schürzte, während sie diese Information sacken ließ.
    « Weißt du, Rachel, wen kümmert’s, an welchem Wochentag wir dreißig werden?», sagte sie und zuckte eine glatte, olivbraune Schulter.«Bis dahin sind wir alt. Wenn man erst mal so alt ist, sind Geburtstage nicht mehr wichtig.»
    Ich dachte an meine Eltern – die in den Dreißigern waren – und an ihren stillosen Umgang mit dem eigenen Geburtstag. Mein Dad hatte meiner Mom kürzlich einen Toaster zum Geburtstag geschenkt, weil unserer in der Woche zuvor kaputtgegangen war. Der neue konnte vier Scheiben auf einmal toasten, nicht bloß zwei. Trotzdem war es kein tolles Geschenk. Aber meine Mom hatte sich über das neue Haushaltsgerät anscheinend
gefreut; ich konnte jedenfalls nichts von der Enttäuschung bemerken, die ich empfand, wenn die Weihnachtsausbeute meinen Erwartungen nicht ganz entsprach. Also hatte Darcy wahrscheinlich Recht. Spaßkram wie Geburtstage würde nicht mehr so wichtig sein, wenn wir erst dreißig wären.
    Das nächste Mal, dass ich wirklich ans Dreißigwerden dachte, war im letzten Jahr auf der High School, als Darcy und ich anfingen, zusammen Thirty Something im Fernsehen anzugucken. Sie gehörte nicht zu unseren Lieblingsserien – heitere Sitcoms wie Who’s the Boss und Growing Pains fanden wir besser –, aber wir guckten sie trotzdem. Bei Thirty Something fand ich die kläglichen Figuren mit den deprimierenden Schwierigkeiten problematisch, die sie offenbar anzogen. Ich weiß noch, dass ich fand, sie sollten erwachsen werden und sich nicht so anstellen. Dass sie aufhören sollten, über den Sinn des Lebens nachzugrübeln, und lieber Einkaufslisten schreiben. Das war damals, als ich dachte, dass meine Teenagerjahre sich unendlich lange hinziehen und dass die Zwanziger wahrscheinlich ewig dauern würden.
    Dann wurde ich zwanzig. Und«Anfang zwanzig»schien tatsächlich ewig anzudauern. Wenn ich hörte, wie Bekannte, die ein paar Jahre älter waren, das Ende ihrer Jugend beklagten, sah ich mich selbstgefällig
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