Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
Vom Netzwerk:
auch aussehen mochten, sich doch im Inneren alle glichen wie ein Ei
dem anderen. Sie lachten, redeten und träumten gern ... und sie taten dennoch
so, als seien sie immer tapfer, litten niemals Schmerzen, und empfänden Kummer
lediglich als eine vorübergehende schlechte Laune. Und für gewöhnlich stimmte
das ja auch.

Fünftes Kapitel

    Beim Frühstück am nächsten Morgen machte
ihr Vater Schlafendem Hund ein Kompliment auf den wundervoll geflochtenen und
bestickten Gürtel, den er um seine hirschledernen Hosen trug, und erfuhr, daß
der Indianer ihn selbst gemacht hatte. Innerhalb weniger Augenblicke trafen sie
ein Ubereinkommen: Schlafender Hund erklärte sich bereit, Gürtel und Armbänder
herzustellen, die ihr Vater dann auf der Reise verkaufen sollte.
    Mit der Erlaubnis ihres neuen
»Geschäftspartners« nannte Sheridan das Pferd »Läuft schnell«, und in den
folgenden Tagen ritt sie es ständig. Während ihr Vater und Schlafender Hund
eher bedächtig im Wagen dahinfuhren, galoppierte sie voraus und raste zu ihnen
zurück, wobei sie sich tief über den Pferdehals beugte. Ihre wehenden Haare
mischten sich mit der flatternden Pferdemähne, und ihr Lachen erscholl unter
dem klaren, blauen Himmel. An dem Tag, als sie ihre Angst vor dem rasenden
Galopp überwand, fragte sie Schlafender Hund stolz, ob sie jetzt bald so gut
reiten könne wie ein Indianerjunge. Er sah sie an, als hielte er dies für
vollkommen absurd und unmöglich, dann warf er das Kerngehäuse des Apfels, den
er gerade gegessen hatte, ins Gras neben dem Weg. »Kann Weise für Jahre das vom
Rücken des laufenden Pferdes aufheben?« erwiderte er und wies auf das Apfelstück.
    »Natürlich nicht«, sagte Sheridan
verwirrt.
    »Indianerjungen schon.«
    In den folgenden drei Jahren lernte
Sheridan neben diesem noch eine ganze Menge anderer Kunststücke – von denen
manche ihren Vater zu besorgten Warnungen veranlaßten. Schlafender Hund
begrüßte jeden ihrer Erfolge mit einem beiläufigen zustimmenden Grunzen, dem
sofort eine neue, zunächst scheinbar unmögliche Herausforderung folgte. Früher
oder später meisterte Sheridan sie alle. Durch die Kunstfertigkeit des
Indianers wuchs ihr Einkommen, und da er hervorragend jagen und fischen konnte,
aßen sie besser als jemals zuvor. Manche Leute fanden, sie bildeten ein
seltsames Trio – der alte Indianer, das junge Mädchen, das hirschlederne Hosen
trug und nicht nur ohne Sattel und im Herrensitz reiten, sondern auch in vollem
Galopp rückwärts auf dem Pferd sitzen konnte, und der liebenswürdige,
verbindliche Ire, der regelmäßig, jedoch mit vorsichtiger Zurückhaltung,
spielte – aber das bemerkte Sherry gar nicht. Sie fand eher, daß die Leute, die
in geschäftigen, belebten Städten wie Baltimore, Augusta und Charlotte wohnten,
ein merkwürdiges und im Vergleich zu dem ihren sehr eingeschränktes Leben
führten. Ihr machte es nicht das geringste aus, daß ihr Papa so lange brauchte,
um genug Geld für das Haus in Sherwyn's Gien zusammenzubringen.
    Genau das erwähnte sie einmal
Raphael Benavente gegenüber, einem gutaussehenden, blauäugigen Spanier Mitte
zwanzig, der seit ein paar Tagen auf seinem Weg von St. Augustine nach
Savannah mit ihnen reiste.
    »Querida«, antwortete er herzlich lachend,
»gut, daß du keine Eile hast, denn dein Papa ist ein sehr schlechter Spieler.
Ich habe ihm gestern bei einem kleinen Spiel in Madame Gertrudes Salon den
ganzen Abend gegenübergesessen, und da wurde viel betrogen.«
    »Mein Papa würde nie falschspielen«,
protestierte sie und sprang peinlich berührt auf.
    »Nein, das glaube ich auch nicht«,
beruhigte er sie rasch und griff nach ihrem Handgelenk, als sie sich
fortdrehte. »Er hat nur nicht gemerkt, daß die anderen falschspielten.«
    »Du hättest ...«, ihr Blick glitt zu
der Pistole, die er an der Hüfte trug, und bei dem Gedanken, daß jemand ihren
Papa um sein sauer verdientes Geld betrügen könnte, wurde sie noch zorniger,
»du hättest sie erschießen sollen! Ja, sie alle erschießen, das wäre das
einzig Richtige gewesen!«
    »Das konnte ich nicht, querida«, stellte
er amüsiert fest. »Weißt du, ich war nämlich selbst einer von den Falschspielern.«
    Sheridan wand ihr Handgelenk aus
seinem Griff. »Du hast meinen Papa betrogen?«
    »Nein, nein«, erwiderte er und
versuchte erfolglos, seinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten. »Ich
betrüge nur, wenn es unumgänglich ist – sprich, wenn andere falschspielen –,
und ich betrüge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher